Ukraine
Unterwegs im zweitgrößten Land Europas
Als Reiseziel ist Moldawien noch ein Geheimtipp. Dabei bietet das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine seinen Besuchern eine Fülle an landschaftlicher Schönheit und kultureller Eigenständigkeit. Dazu zählt auch der sogenannte Romahügel in Soroca im Nordosten des Landes.
Heute leben über 1.500 Roma in Soroca, lautet die Schätzung, rund 250.00 angeblich im gesamten Territorium von Moldawien. Die Roma sollen bereits im 6. und 7. Jahrhundert aus dem Raum des indischen Subkontinents in Richtung heutige Türkei gezogen sein. Zur Zeit des Mittelalters verbreiteten sich die Roma auch in vielen Regionen Westeuropas. Vielerorts wurden sie verfolgt, sogar bis in den Tod. Die Sprache der Roma wird "Romanes" genannt. In der Kultur der Roma spielt der Zusammenhalt der Großfamilie bis heute eine bedeutende Rolle. Bezüglich ihrer Religion haben sich die hinduistisch geprägten Roma überwiegend dem Glauben angepasst, der in ihrem jeweiligen Umfeld am meisten verbreitet ist. In Osteuropa handelt es sich überwiegend um die muslimische oder christlich-orthodoxe Religion.
Im 19. Jahrhundert flohen viele Roma vor den Türken Richtung Westen nach Rumänien und ins angrenzende Moldawien. Sie wurden zu menschenverachtenden Bedingungen versklavt und verkauft. Die später auf nicht ganz transparente Weise zu Reichtum gekommenen Roma in der ehemaligen Sowjetrepublik Moldawien, der heutigen Republik Moldau, demonstrierten stolz ihren beträchtlichen Wohlstand anhand prunkvoller Villen in einem eigenen Viertel oberhalb von Soroca. So erhielt die Stadt den Beinamen "Hauptstadt der Roma" oder trägt die Bezeichnung "Welthauptstadt der Roma".
Touristen kommen vor Ort mit einem eigentümlichen Szenario zwischen origineller Ästhetik und heruntergekommener Prachtentfaltung in Berührung, die schon manchen Reisenden fasziniert hat. Die imposanten, teilweise nicht fertiggestellten und unbewohnten Prunkvillen des Romahügels legen auf das Stadtbild Sorocas einen einzigartigen morbiden Charme. Als kurios lässt sich diese Ansammlung von architektonischen "Mutproben" und grotesk wirkenden Bauten bezeichnen. Die auffälligsten Gebäude entstanden nach berühmten weltlichen und sakralen Baudenkmälern in aller Welt.
Es befindet sich eine Nachbildung des Petersdoms im römischen Vatikan mit seiner markanten Kuppel auf dem Romahügel. Zu Sorocas Ruf als außergewöhnliche Touristenattraktion trägt ebenfalls der Nachbau des weltberühmten klassizistischen Bolschoi-Theaters in Moskau bei. Man erkennt es an der charakteristischen Pferdekutsche mit den drei Rössern auf dem Dach oberhalb des Säulenportals. Die Romabarone von Soroca haben sich in verchiedenen Kontinenten zu ihren extravaganten Villen inspirieren lassen. Arthur "Baron" Cerari beispielsweise, der ungekrönte König der Roma, residiert in einem grandiosen Schloss mit starken maurischen Stilelementen. Der Reisende kommt aus dem Staunen einfach nicht heraus, denn selbst das mächtige Capitol in Washington, Sitz des US-Kongresses, diente als Vorlage für den Wohnsitz reicher Roma, wenn auch in verkleinerter Form.
Wer einen Sinn für Kitsch und Historie besitzt, genießt einen Ausflug in dieses einzigartige "Freilichtmuseum" auf dem Romahügel. Noch werden Reisen nach Soroca als Geheimtipp gehandelt, doch das dürfte sich in absehbarer Zeit ändern. Denn Fotoreportagen in bekannten Medien und Reiseblogs erwähnen immer öfter das Reiseziel Moldawien mit seiner Romahauptstadt Soroca. Dort kann man sich auch über die jungen Roma und ihre Lebensperspektiven informieren.
Die Menschen oberhalb von Soroca sind durchweg freundlich, clever und keinesfalls kamerascheu, allerdings erleben Reisende dann auch, dass die Roma von Soroca um Geld bitten, wenn man sie fotografieren möchte. Sie lassen sich aber auch bereitwillig gratis auf die vielfältig gestalteten Villen ansprechen, mit denen der Romahügel punktet. Von der wechselvollen Geschichte der Roma in Moldawien und dem ausgeprägten Sinn fürs Repräsentative reicher Roma erzählen sie voller Stolz auf die architektonischen Raritäten in Soroca. Allen voran gibt der anerkannte Führer der Roma in Moldawien und Rumänien, der bereits erwähnte Arthur "Baron" Cerari, wort- , gesten- und kenntnisreich Auskunft über die Romabarone und ihr beeindruckendes Vermächtnis.
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