Ukraine
Unterwegs im zweitgrößten Land Europas
Städte & Regionen der Ukraine
Wer von Osten aus in die Karpaten gelangen möchte, kommt auf seiner Reise durch Iwano-Frankiwsk. Die anmutige Stadt wird von zwei Teilarmen des Flüsschen Bystriza umflossen, die zusammen eine Insel bilden. Das gab dem Ort im Mittelalter eine strategisch sehr günstige Position.
An dieser gut zu verteidigenden Stelle ließ der polnisch-galizische Fürst Andrej Potocki im 17. Jahrhundert an Stelle des kleinen Dorfes Zabolotya eine gewaltige Festung errichten, die sein Land gegen die Übergriffe der Tataren und Türken schützen sollte, welche sich auf Raubzügen immer wieder mit Lebensmitteln, Waffen und Munition versorgten. Er benannte sie nach seinem Sohn in Stanislaviv.
Die Festung wurde nach allen Regeln der damaligen Festungsbaukunst in kürzester Zeit fertig gestellt. Hohe meterdicke Wände, ein gewaltiger vorgelagerter Erdwall und riesige Bastionen schützten die Bewohner der Festungsstadt. Sie war so stark, dass sie im Jahre 1672 den Angriffen des riesigen türkischen Heeres in einer gewaltigen Schlacht widerstand. Später wurde die Festungsanlage durch ein Netz unterirdischer Gänge erweitert, die vom Rathaus in der Stadtmitte weit aus der Stadt hinausführten (zum Teil bis ins 25 km entfernte Halytsch) und als Fluchtgräben bis in den Zweiten Weltkrieg dienten. Noch heute kann man einige dieser Gänge begehen und entdecken.
Mit dem Bau der Festung Stanislaviv gehörten die Raubzüge und Überfälle der Vergangenheit an und das führte zu einer stürmischen wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt. Schon zum Ende des 17. Jahrhunderts besaß die Stadt das Magdeburger Recht. In der Stadt lebten und arbeiteten neben Ukrainern auch Polen, Armenier und Juden. An der Festungsstadt vorbei führten die Handelswege von Bessarabien in die baltischen Länder und von Kiew hinein nach Mitteleuropa und der Handel brachte der Stadt Wohlstand.
Als Preußen, Russland und Österreich das polnische Königreich untereinander aufteilen, gerät Stanislaviv 1772 unter österreichische Herrschaft und wird in Stanislau umbenannt. Der Kaiser Joseph II. will das Land nutzbar machen, sendet Scharen neuer Siedler in die neuen Besitzungen, schafft die Leibeigenschaft ab und garantiert die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Und sie kommen - Deutsche, Ungarn, später Österreicher und vor allem Juden (die zeitweise bis zu 40% der Bevölkerung bildeten) siedeln sich in der Stadt an und bringen Handwerk und Handel zu einer neuen Blüte. Das Kennzeichnende an der Vielfalt der Nationalitäten ist das friedliche Miteinander, in dem die Völkerschaften zusammenleben. Religionen können uneingeschränkt ausgeübt werden. Kirchen und Synagogen aller Religionsgemeinschaften werden errichtet.
1804 werden die Festungsmauern geschliffen, da die Türken längst vertrieben sind und die Mauern technisch überholt sind. Die Straßen und Plätze werden gepflastert. Die ersten Industriebetriebe entstehen, mehrstöckige Häuser werden gebaut, Banken eröffnen Filialen in der Stadt. Und natürlich entsteht ein vielfältiges städtisches Leben mit Kaffeehäusern, Restaurants, Galerien, Parks und Gärten, Theatern und Hotels.
Eine Eisenbahnlinie bringt regelmäßig Reisende aus dem weit entfernten Wien über Czernowitz in die Stadt. Mit ihr entwickelt sich der Tourismus in Stanislau und von hier aus weiter in die nahen Karpaten, ins Huzulenland, nach Worochta und Jaremtscha, zu einem beachtlichen Wirtschaftszweig. Neben den Touristen kommen jetzt Linguisten und Ethnografen, unter ihnen der ukrainische Nationaldichter Ivan Franko, die sich als Folge eines erwachenden Nationalgefühls für die Entwicklung und Förderung einer ukrainischen Kultur und Sprache engagieren. Es entstehen auch in Stanislau national-aufklärerische Gesellschaften mit Namen wie "Prosvita" (Aufklärung), "Plast" und "Sokoly" (Die Falken).
Auch in Iwano-Frankiwsk blühten einst jüdisches Leben und Handel. Der Tuchhandel in dem nahegelegenen Städtchen Tysmeniza ist mit der Geschichte der Familie von Sigmund Freud verbunden. Hier führte sein Großvater, Schlomo Freud, ein Geschäft.
Als nach dem Ersten Weltkrieg die k.u.k.-Monarchie zusammenbricht, entsteht hier für kurze Zeit ein ukrainischer Staat - die Westukrainische Volksrepublik. Er wird jedoch 1919 von den anrückenden polnischen Truppen und der polnischen Bevölkerungsmehrheit gestürzt und aus Stanislau wird bis 1939 Stanislawow, Hauptstadt der gleichnamigen polnischen Wojewodschaft.
Mit dem Hitler-Stalin-Pakt, der Polen von der Landkarte radiert, marschieren sowjetische Truppen in die Stadt ein. Unter dem sowjetischen Diktat werden zahlreiche Kirchen geschlossen und ausgeraubt. Stalins Terror dünnt die ukrainischen Eliten so stark aus, dass sie fast vernichtet werden. Die Stadt selbst wird vernachlässigt und alle Anstrengungen der Sowjetmacht gelten nur der Ausbeutung der fruchtbaren Böden durch intensive Landwirtschaft.
Zweimal zieht der 2. Weltkrieg über Stanislavov hinweg, die Nazis ermorden im Holocaust die gesamte jüdische Gemeinde und hinterlassen tiefe Narben.
Zur 300- Jahr- Feier wird die Stadt in Iwano-Frankiwsk umbenannt, zum Andenken an den großen ukrainischen Volksdichter Ivan Franko. Bald darauf verschwindet die Stadt im Kalten Krieg wieder von den Karten, denn um sie herum entstehen Rüstungsbetriebe und Sammellager für Atomraketen. Wer in den geheimen Städten zur Schule geht, erhält sein Zeugnis von der "Moskauer Schule Nr. 602", einer fingierten nichtexistenten Schule, um die wahre Herkunft der Schüler und ihrer Familien zu verschleiern.
Erst mit der Auflösung der Sowjetunion und der Gründung der Ukraine 1991 wird dieser Zustand wieder aufgehoben. Ende der 90er Jahre beginnt in der Stadt ein beachtlicher wirtschaftlicher Aufschwung. Es gelingt, ausländische Investoren anzusiedeln, die Arbeitsplätze und stabile Einkommen in die Stadt bringen. Das gibt der Stadt die Gelder, mit denen sie in den vergangenen Jahren die historische Innenstadt restauriert und renoviert hat. Die Stadtväter engagieren sich stark für die Entwicklung ihrer Stadt. Heute zählt Iwano-Frankiwsk bei den Ukrainern zu den beliebtesten Wohnorten in der Ukraine.
Auch touristisch ist Iwano-Frankiwsk sehr interessant. Neben den architektonischen Spuren der wechselhaften Geschichte und Besiedlung der Stadt findet man hier Kirchen aller bedeutenden ukrainischen Religionsgemeinschaften. Straßen, Plätze, Denkmäler und Gärten erinnern an die Höhepunkte dieser gemeinsamen Vergangenheit. Dazu gehört zum Beispiel der Krattergarten (Kratterivka) - in Erinnerung an den deutschen Stadtvorsteher Frantisek Kratter, der 1827 im Stadtzentrum den ersten öffentlichen Stadtgarten anlegen ließ.
In der ehemaligen Marienkirche ist heute noch Iwano-Frankiwsker Kunstmuseum einquartiert, welches auf die Bereitstellung neue Ausstellungsräume wartet. In den Archiven des Museums lagern tausende weiterer bedeutender Exponate - Ikonen, Barockskulpturen und weitere westukrainische Kunstwerke, die aus schierem Platzmangel dem interessierten Publikum noch nicht gezeigt werden können.
Beeindruckend ist auch der Potocki-Palast, der von einem wunderschönen Park umgeben ist und den der Stadtgründer für sich und seine Familie errichten ließ. Hier hielten sich auch der polnische König Jan Sobieski und Kaiser Joseph II. auf.
Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist es von Iwano-Frankiwsk ein (ukrainischer) Katzensprung in die Karpaten. Dort erwarten Sie vielfältige Erholungs- und Entdeckungsmöglichkeiten. Neben dem einfachen Urlaub in unberührter Natur, haben Sie Chance, das Land mit dem Mountainbike zu entdecken, auf dem Dnister eine Raftingtour zu unternehmen, das Land auf dem Rücken eines Pferdes zu durchstreifen, in den Karsthöhlen nahe dem Dnister zu klettern. Natürlich gibt es in der Umgebung Iwano-Frankiwsk Skilifts, Loipen und Wandermöglichkeiten für einen ungestörten Familienurlaub. Auch nach Czernowitz ist es nicht weit.
Sie können in die huzulische Kultur eintauchen, Kunsthandwerkern bei der Arbeit über die Schulter schauen oder auf den Kunsthandwerksmärkten in Kossiw oder Kolomyja die eine oder andere Kostbarkeit erwerben. Oder Sie möchten die Zivilisation komplett abstreifen und leben für ein, zwei oder mehr Wochen so, wie es die Menschen dieses Landes vor 100 Jahren taten.
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