Estland
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Typisch lettisch - In kaum einem anderen Land spielt Musik eine so große Rolle wie in Lettland.
Nichts ist so lettisch wie die Daina. Denn diese Kunstform des Volksliedes ist auf sehr enge Weise verbunden mit der Geschichte des baltischen Staates. Die Daina ist daher ein ganz entscheidender Grundpfeiler der Kultur in Lettland. Man könnte auch sagen, dass in der Daina das Herz der lettischen Musik schlägt. Dainas sind alltägliche Weisheiten, die in Liedern auf Lettisch vorgetragen werden. Die kleinen Vierzeiler erblickten bereits vor mehr als tausend Jahren das Licht der Welt, sie entstanden also in einer Zeit vor der Christianisierung des Baltikums. Und für so gut wie jeden Anlass gibt es auch die passende Daina: Die rhythmischen Vierzeiler werden bei festlichen Ereignissen wie Taufen und Trauungen ebenso gesungen wie bei der täglichen Arbeit oder einfach, um den eigenen Gefühlen auf Lettisch in poetischer Form den richtigen Ausdruck zu verleihen.
Allerdings wurde das nationale Liedgut ursprünglich nicht auf Lettisch niedergeschrieben, sondern nur in mündlicher Form jeweils von Generation zu Generation weitergegeben - der Grund dafür ist in der Historie Lettlands verborgen.
Im 13. Jahrhundert begann eine sieben Jahrhunderte währende Kolonisierung durch den Deutschen Orden in Lettland. Die lettischen Fürstentümer und ihre Bewohner erhielten den Status von Leibeigenen, die nationale Kultur wurde überall im Land unterdrückt. Deshalb blieb den Letten nichts Anderes übrig, als ihre gesamte Schöpfungskraft und Kreativität in der Musik und der lettisch gesungenen Daina wirken zu lassen - die einzige Möglichkeit, sich auf künstlerische Art und Weise auszudrücken. Denn in dieser volkstümlichen Musik wurde auf Lettisch die gesamte Bandbreite des menschlichen Wesens erfasst, sowohl in spiritueller Hinsicht wie auch ganz alltägliche Ereignisse betreffend.
Erst als sich der deutsche Dichter Johann Gottfried Herder während seiner Tätigkeit an der Domschule von Riga für die Dainabegeisterte, kam es zu ersten schriftlichen Sammlungen der traditionellen Lieder. Noch heute ist Herder daher aus dem Stadtbild Rigas nicht mehr wegzudenken: Am Herderplatz direkt am Dom wurde ihm zu Ehren 1864 ein Denkmal mitsamt Büste errichtet - übrigens das erste Denkmal überhaupt, das jemals in der lettischen Hauptstadt für einen Kulturschaffenden errichtet wurde.
1869 begann dann der Musiker und Pädagoge Janis Cimze damit, Dainas auf Lettisch in einer Sammlung zusammenzustellen. Seine Kollektion umfasste bald mehr als 20.000 Lieder und erfreute sich bei seinen Landsleuten schnell einer immer größer werdenden Popularität. Janis Cimizes Liedersammlung bildete schließlich auch die Grundlage des ersten lettischen Sängerfestes, bei dem tausende von Sängern zum ersten Mal gemeinsam ihr traditionelles Liedgut zelebrierten. Deshalb gilt Cimze noch heute als Mitbegründer der Chor-Tradition im Baltikum und als einer der Väter des ersten estnischen Liederfests 1869 in Tartu.
Der lettische Sprachforscher Krijanis Barons schließlich folgte diesen Spuren - und gab von 1894 bis 1915 sechs Bände der sogenannten "Latvju Dainas" heraus, noch heute die bedeutendste Zusammenstellung der lettischen Daina. In dieser Zeit erwachte auch das nationale Bewusstsein und der Stolz auf die eigene kulturelle Vergangenheit zu neuem Leben - eine Entwicklung, die sich zunehmend auch in der Musik Lettlands widerspiegelte.
Der lettische Dichter und Komponist Karlis Baumanis schuf 1870 die lettische Nationalhymne ’Dievs, sveti Latviju!’ - Gott segne Lettland. Zum ersten Mal überhaupt wagte es ein Komponist, das Wort ’Latvija’ in einem Lied zu verwenden - und natürlich ist auch die lettische Hymne wieder als typischer Daina- Vierzeiler verfasst worden. Der Pianist und Komponist Jazeps Vitols gilt als Begründer der Nationalmusik Lettlands. Und besonders zu Herzen gehende Musik schuf um die Jahrhundertwende der romantische Komponist Emils Darzin mit Werken wie seinem melancholischen Walzer ’Melanholiskais Valsis’.
Vielen Letten gilt jedoch besonders die Daina-Sammlung von Krijanis Baron noch bis heute als eine Art eine Art Nationalheiligtum: Im Jahr 2001 würdigte die UNESCO schließlich den von Krijanis Baron zusammengetragenen Liederschatz sogar als herausragendes Weltdokumentenerbe.
Auf Ihrer Reise zu den Domus Rigensis Kulturtagen lernen Sie eine spezifische Facette der Kulturgeschichte Rigas und Lettland kennen und erleben moderne lettische Kunst und Kultur hautnah.
Die Mittsommernacht wird nicht nur in Skandinavien zelebriert, auch im Baltikum gilt die Sommersonnenwende als das wichtigste Ereignis des Jahres. Die traditionelle Feier mit spektakulären Feuern wird dabei immer auch von zahlreichen Musikveranstaltungen begleitet. Es gibt gefühlt tausendundeine Daina, die auf Lettisch das Mittsommerfest besingen - denn kaum etwas ist so lettisch wie das Mittsommerfest Jani.
Und was für München das Oktoberfest oder für das Rheinland der Karneval sein mag, das sind für Lettland wie auch die Nachbarstaaten Litauen und Estland die beiden Feiertage vom 23. bis zum 24. Juni, wenn das Jani-Fest begangen wird. Der Überlieferung nach geht die Mittsommerfeier auf den Gott Janis (im Deutschen: Johannes) zurück, der die Felder segnete und für eine reiche Ernte sorgen sollte - auf Lettisch heißt das Fest zur Sommersonnenwende übrigens Ligo.
Und Ende der 1980er Jahre machten tausende Letten ihrem Unmut über die russische Besatzungsmacht besonders auf den Mittsommernachfeiern Luft, indem sie gemeinsam zu tausenden die nationale Musik zelebrierten - zumal viele Volkslieder seinerzeit vom Regime verboten waren.
Etliche Folklore-Bands dieser Umbruchjahre wie das Ensemble Skandinieki sind noch heute im ganzen Land bekannt, denn erst im Jahr 1991 wurde Lettland schließlich unabhängig. Noch heute findet das legendäre Sängerfest alle fünf Jahre abwechselnd in einem der drei Länder des Baltikums statt. Der lettischen Legende nach gibt es in dem kleinen Land im Baltikum genauso viele Lieder wie Einwohner, also ungefähr zwei Millionen.
Mittlerweile erfreuen sich aber auch moderne Bands einer immer größeren Beliebtheit, wie etwa die Gruppe Prata Vetra. Die singt ihre Musik nicht nur auch auf Englisch, sondern schaffte es beim Eurovision Song Contest im Jahr 2000 sogar auf den dritten Platz. Und nur zwei Jahre später schließlich holte die in Riga lebende Russin Marie N auf dem Eurovision Song Contest erfolgreich den Titel für Lettland.
Die Musik hat also auch im Internetzeitalter nichts von ihrer großen Bedeutung für das kleine Lettland verloren.
https://www.youtube.com/watch?v=JCAakhvNeTE
https://www.youtube.com/watch?v=H2p3rtkVh8I
https://www.youtube.com/watch?v=TAb6ozO0tk0
https://www.youtube.com/watch?v=hyAd2mex6Go
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