Estland
Eldorado für Kulturfans und Naturliebhaber
Land & Leute
Verwöhnte Feinschmecker mit Sinn für mikroskopisch kleine Portionen und künstlerische Kochraffinesse sind sicher keine Freunde von estnisch geprägten Menüs. Wer jedoch neue Erfahrungen auf kulinarischem Gebiet sucht und sich gerne an Großmutters Kochkünste erinnert, findet in der estnischen Kochkultur viele bodenständige und äußerst schmackhafte Gerichte.
Auf den ersten Blick lassen die verwendeten Zutaten an die typische Ernährung armer Leute denken, traditionelle Speisen wie gedünstete Plötzen oder "mulgi korbid" halten für Besucher des schönen Landes jedoch eine überraschende Geschmacksvielfalt bereit.
In der estnisch geprägten Küche spiegelt sich die geschichtliche und kulturelle Entwicklung dieses faszinierenden Landes wider. Die bäuerlich geprägte Vergangenheit ist in den verwendeten Zutaten und der Zubereitung ebenso spürbar wie der Einfluss durch die nationalen Minderheiten. So finden sich überraschend viele Parallelen zu russischen, skandinavischen und deutschen Gerichten, die in die heimische Küche integriert wurden.
Die unverzichtbaren Grundpfeiler der estnisch geprägten Küche sind neben Fleisch in allen Variationen insbesondere Quark und weitere Milchprodukte, Sauerkraut und Kartoffeln. Auch Getreide wie Gerste und Roggen, Gemüsesorten nach Saison sowie Pilze, Beeren und Fische aus der Ostsee und den Flüssen Estlands sind feste Bestandteile zahlreicher Gerichte.
Für ihre tägliche Ernährung nutzten die Bauern die Zutaten aus eigenem Anbau und aus der näheren Umgebung. Entsprechend unterschieden sich die Gerichte je nach Jahreszeit ebenso wie nach dem jeweiligen Wohnort.
Sparsam verwendete Würze ist ein charakteristisches Merkmal für viele der landestypischen Speisen Estlands. Meist wird nur wenig gewürzt, traditionell wird beispielsweise bei der Zubereitung der estnischen Blutwurst Majoran verwendet. Dennoch ist das Essen keineswegs fade und überrascht mit erstaunlich vielfältigen und feinen Geschmacksnuancen, die häufig durch unterschiedliche Kochflüssigkeiten wie Milch oder saure Sahne entstehen.
Die unmittelbare Nähe zu Finnland ist in Estland sprachlich, kulturell sowie in der estnischen Landesküche deutlich spürbar, wie beispielsweise die gemeinsame Vorliebe für Talkkuna - estnisch: Kama - deutlich beweist.
In Anlehnung an die bäuerlichen Traditionen legen die Einheimischen auch in der heutigen Zeit großen Wert auf die Verwendung lokaler Erzeugnisse sowie auf eine frische Zubereitung. Demzufolge hat sich in Estland eine bodenständige, ehrliche und ausgesprochen traditionelle Landesküche erhalten.
Ähnlichkeiten zur deutschen Küche zeigen Gerichte wie Linsensuppe mit Speck oder Schweinshaxe mit Kartoffelpüree und Sauerkraut, die Einzug in die einheimischen Ernährungsgewohnheiten fanden. Sauerkraut findet sich in zahlreichen Gerichten wieder und erfreut sich in Estland großer Beliebtheit.
Eine der bekanntesten Speisen und typisch estnisch ist Mulgikapsad, ein deftiges Essen aus Sauerkraut, Graupen und durchwachsenem Fleisch. Ursprünglich stammt dieses Eintopfgericht aus Mulgimaa, dem südlichen Teil von Viljandimaa. Im 19. Jahrhundert siedelten sich wohlhabende Bauern aus dieser Region in ganz Estland an und sorgten so für die heutige Verbreitung ihrer traditionellen Speisen im ganzen Land. Bis heute enthalten die Namen vieler Gerichte das Wort Mulgi, beispielsweise der Quarkkuchen "mulgi korbid".
Die Russen stellen in Estland die größte Minderheitengruppe dar, daher ist es wenig verwunderlich, auch russische Einflüsse wie die Rote-Bete-Suppe Borschtsch in der Küche Estlands zu entdecken. Wie in vielen baltischen Ländern sind so ebenso in Estland die beliebten Blinis fester Bestandteil der Landesküche und werden mit Preiselbeermarmelade oder Sauerrahm und unterschiedlichen Füllungen wie Blutwurst, Fisch oder Gemüse gereicht.
Russische Altgläubige hinterließen in der estnisch geprägten Küche ebenfalls ihre Spuren, wie delikate Fischgerichte mit Zwiebeln und säuerlichem Kohlsalat bezeugen.
Eines der bekanntesten Nationalgerichte Estlands ist ohne Zweifel die "verivorst", eine deftige Blutwurst, die hauptsächlich im Winter gegessen wird. Sie ist ein beliebtes Essen zur Weihnachtszeit und wird häufig zusammen mit Sauerkraut, gekochten Kartoffeln oder Kartoffelpüree und Preiselbeermarmelade gereicht. Die aus der deutschen Küche übernommene Sülze, deftige Würste sowie herzhafte Fleischgerichte wie "kapsarullid" (mit Hackfleisch gefüllte Krautrouladen) oder "pirukad" (mit Gemüse und Fleisch gefüllte Teigtaschen) sind feste Bestandteile der typisch estnisch geprägten Küche.
Gerne werden in Estland neben der bekannten "leivasupp" (Brotsuppe) auch delikate Gemüsesuppen mit deftigen Würstchen und Speck gegessen, zu denen häufig Milch und kräftiges Brot gereicht werden. Besonders beliebt als Suppenbeilage sind mit Knoblauch und Öl in einer Pfanne gebratene Schwarzbrotscheiben (küüslauguleivad).
Flüsse, Seen und die Ostsee fügen der estnisch geprägten Küche Meeresfrüchte und Fische hinzu. Neben "silgurulid" (gerollter Strömling mit Zwiebeln und Möhren), "silgusoust" (gebackene Sprotten in Sauerrahm) oder "heeringas hapukoore ja sibulaga" (Heringe mit Zwiebeln und Schmand) bietet die estnische Küche zahlreiche Fischgerichte in unterschiedlichen Varianten.
Die Führungsposition bei den beliebten Desserts übernimmt in Estland eindeutig das landestypische Kama. Bei dem Kamamehl handelt es sich um eine Mischung aus gerösteten Roggen-, Hafer-, Gersten- und Erbsenmehlsorten, die vergleichbar ist mit der finnischen Variante "Talkkuna". Sie wird mit Joghurt, Sauerrahm oder Fruchtsaft vermischt und zum Frühstück oder als Dessert gegessen. Sehr lecker ist eine Creme aus saurer Sahne, Kama und gerösteten Haselnüssen, die zusammen mit einer Honigsoße serviert wird.
Für Reisende bietet die estnische Küche faszinierende Geschmacksnuancen und die Entdeckung von ungewöhnlich vielfältigen und faszinierend schmackhaften Kochtraditionen. Wer ein Land wirklich kennenlernen möchte, sollte sich immer auch der Landesküche widmen. Die deftige und sehr delikate Küche Estlands vermittelt Besuchern einen hervorragenden Einblick in die bodenständige und gastfreundliche Landeskultur der einheimischen Bevölkerung.
(für 6 Personen)
Zutaten:
1,5 kg Sauerkraut
1 große Zwiebel (gehackt)
750 g durchwachsenes Schweinefleisch
200 g Speck
200 g Graupen
Wasser oder Brühe
Salz und Zucker
Zubereitung:
Das Sauerkraut mit den Zwiebeln abwechselnd mit Fleisch und Speck in mehreren Schichten in einen großen Topf schichten. Auf die letzte Sauerkrautschicht die gewaschenen Graupen geben.
Flüssigkeit zugeben, bis alle Zutaten mit Wasser bedeckt sind. Aufkochen und bei schwacher Hitze etwa 60 Minuten dünsten, bis die Zutaten gar sind. Anschließend alles vermischen und den Eintopf mit Salz und Zucker nach Belieben abschmecken. Das Fleisch in Scheiben schneiden und zusammen mit Salzkartoffeln servieren.
(für 6 Personen)
Zutaten:
500 g kräftiges Roggenbrot (trocken)
2 bis 2,25 Liter Wasser
150 g Honig
2-3 EL Butter
Zubereitung:
Trockenes Brot muss in dem Wasser einige Stunden einweichen, wenn frisches Brot verwendet wird, kann es sofort gekocht werden. Nach dem Einweichen das Brot weich kochen, mit dem Honig nach Geschmack süßen und die Butter erst am Ende hinzugeben. Alle Zutaten nun zu gleichmäßigem Brei verarbeiten und die Brotsuppe noch warm als Dessert mit geschlagener Sahne, Milch oder süßer Sahne servieren. Nach Belieben können zusätzlich Rosinen oder Apfelstücke zu der Brotsuppe gereicht werden.
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