Russland
Unendliche Weiten und zahllose Schätze
Die stählerne Verbindung von Europa nach Asien in Russland
Eine Fahrt mit der Transsib ist eine Entdeckungsreise der besonderen Art. Kein anderes Fortbewegungsmittel ermöglicht den Besuchern einen vergleichbaren Einblick in die sprichwörtliche Gastfreundschaft der Russen und das wahre Herz Russlands. Entlang der längsten Eisenbahnstrecke der Welt zeigen sich den Reisenden atemberaubende Naturlandschaften und einzigartige Sehenswürdigkeiten, die Russland von seiner schönsten Seite präsentieren.
Bereits die Erwähnung des Namens der Transsibirischen Eisenbahn ruft bei vielen Menschen die nostalgische Vorstellung einer luxuriösen Eisenbahnfahrt durch Russland hervor. Der Transsib eilt ein legendärer Ruf voraus, Abenteuer und Luxus scheinen untrennbar mit diesem Fortbewegungsmittel verbunden zu sein. Ursprünglich standen jedoch weder Reisekomfort noch Nostalgie bei der Planung der 9.288 km langen Eisenbahnstrecke im Vordergrund, die Moskau mit dem fernen Wladiwostok verbindet.
Im 19. Jahrhundert wurden die in Sibirien gewonnenen Bodenschätze auf langen und beschwerlichen Wegen mit Fuhrwerken nach Moskau transportiert. Die Suche nach besseren Transportmöglichkeiten führte 1844 dazu, dass mit der "Osnova" auf dem Fluss Ob das erste Dampfschiff betrieben wurde. Weitere Schiffe folgten und befuhren auch andere Flüsse wie Irtysh, Tobol und Chulym. Einige Flüsse und Flussabschnitte erwiesen sich jedoch aufgrund von Stromschnellen und anderen Hindernissen als schwer befahrbar oder sogar als nicht schiffbar.
In den 1870er Jahren gab es bereits erste Planungen mit unterschiedlichen Lösungsansätzen, um diese Problematik mit dem Bau von Eisenbahnverbindungen zu beheben. Nach dem gewaltsamen Tod von Zar Alexander II. durch ein Bombenattentat folgte Zar Alexander III. im Jahr 1881 seinem Vater auf dem russischen Zarenthron. Auf Anraten des damaligen Verkehrsministers Sergei Juljewitsch Witte ordnete er am 9. März 1891 offiziell den Bau einer ununterbrochenen Eisenbahnverbindung an.
Mit dem ersten Spatentisch durch Zarewitsch Nikolai in der Nähe von Wladiwostok begannen im Mai 1891 die Bauarbeiten an diesem ehrgeizigen Projekt.
Tausende von Bauarbeitern bewältigten den Bau in unterschiedlichen Abschnitten unter teilweise großen Schwierigkeiten. Insbesondere das Gebiet um den Baikalsee stellte die Arbeiter vor große Herausforderungen, das Anlegen von Tunneln und Brücken war je nach Standort die einzige Lösung. Ursprünglich endeten die Bahnlinien jeweils an den gegenüberliegenden Ufern des Sees. Die Verbindung erfolgte in den Sommermonaten durch zwei Fähren, mit denen die Wagen sowie die Waren und Reisenden übergesetzt wurden.
Diese unbefriedigende Lösung fand jedoch 1904 mit der Fertigstellung der Strecke um den Baikalsee herum ein Ende. Der Streckenausbau der Transsib erfolgte damals eingleisig, der zweigleisige Ausbau wurde 1908 begonnen und konnte erst nach Ende des 2. Weltkriegs erfolgreich beendet werden.
Im Laufe der Jahre führten zahlreiche Ereignisse immer wieder zu großen Problemen und zur Stagnation der Bauarbeiten. Unfälle, katastrophale Lebensbedingungen und seuchenartig wütende Krankheiten wie die Cholera forderten unzählige Menschenleben. Mit der feierlichen Eröffnung der Brücke von Chabarowsk über den Amur wurde gleichzeitig die offizielle Fertigstellung der Transsib gefeiert.
Es scheint kaum fassbar, dass eine einzige Zugfahrt im Zeitraum einer knappen Woche über zwei Kontinente und durch acht Zeitzonen führen kann. Verwirrung bezüglich der genauen Uhrzeit entsteht jedoch in der Regel nicht, da im Zug die Moskauer Zeit gilt. Die Furcht vor Langeweile während der langen Zugfahrt ist unbegründet, meist genießen die Passagiere die Auszeit von der hektischen Betriebsamkeit einer viel zu schnelllebigen Welt und erfreuen sich an den Ausblicken aus dem Zugfenster.
Im Verlauf der Fahrt durchquert die Transsib unterschiedliche Landschaften, die von Wolga-Ebene, Ural und westsibirischer Steppe bis in die Wildnis der ostsibirischen Taiga reichen. Der Übergang vom europäischen auf den asiatischen Kontinent wird im Ural in der Nähe der Stadt Pervouralsk durch einen weißen Obelisken markiert.
Heute führt die klassische Transsib-Strecke von Moskau nach Wladiwostok. Insgesamt überquert sie 16 große Flüsse und passiert 89 Städte. In der Umgebung von Irkutsk zweigen neben der Transsibirischen Route noch Strecken in die Mongolei und die Mandschurei ab, die bis nach Peking führen. Diese Eisenbahnstrecken sind aufgrund der faszinierenden Sehenswürdigkeiten in und um Peking insbesondere bei deutschen Touristen sehr beliebt.
Wer am Jaroslawler Bahnhof in Moskau den Zug nehmen möchte, sollte im Vorfeld unbedingt die Chance zur Besichtigung der russischen Hauptstadt nutzen. Die imposante Größe des Kreml und des Roten Platzes sowie die märchenhafte Schönheit der Basilius-Kathedrale sind unvergessliche Eindrücke, die sich kein Besucher der russischen Hauptstadt entgehen lassen sollte.
Zwischenstopps sind bei einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn durchaus empfehlenswert, wenn die Reisenden neben der eigentlichen Zugfahrt auch Land und Leute erleben möchten. Jekaterinburg ist die viertgrößte Stadt von Russland, zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten gehört hier ohne Zweifel die Kathedrale auf dem Blut. Sie wurde 2002 an der Stelle des 1977 abgerissenen Ipatjew-Hauses erbaut, in dem die Bolschewiki am 17. Juli 1918 die russische Zarenfamilie grausam ermordet hatten.
Zu den sehenswertesten Städten an der Strecke gehören ebenfalls Tjumen, Omsk, Krasnojarsk und Novosibirsk als größte Stadt in Sibirien. Auch die Endstation in Wladiwostok hält einige Sehenswürdigkeiten bereit, zu denen beispielsweise das imposante Bahnhofsgebäude gehört. Besonders eindrucksvoll sind ohne Zweifel die imposanten Kriegsschiffe, die im Marinehafen vor Anker liegen.
Kaum eine andere Transportmöglichkeit bietet Reisenden eine bessere Möglichkeit, die Freundlichkeit der einheimischen Bevölkerung kennenzulernen. Immer wieder treffen Touristen auf hilfsbereite Mitreisende, die bei kleineren Problemen gerne übersetzen oder helfen, kleinere Unklarheiten zu beseitigen. So können interessante Gespräche entstehen, die einen hervorragenden Einblick in die russische Seele vermitteln. Besonders faszinierend ist der Einblick in die Lebensweisen der unterschiedlichen Völker dieses riesigen Landes, die entlang der Eisenbahnstrecke leben.
Die Russen stellen den größten Anteil der Bevölkerung, insbesondere Sibirien ist jedoch ein Vielvölkerstaat. Hier leben zahlreiche Bevölkerungsgruppen, zu den größten Völkern gehören Burjaten, Jakuten und Altaier. Die von Zar Alexander III. beauftragte Transsibirische Eisenbahn sorgte für einen wirtschaftlichen Aufschwung dieser entlegenen Regionen, in der heutigen Zeit spielt neben der Industrie auch der Tourismus eine große Rolle.
Während für viele Russen eine Transsib-Reise eine alltägliche Form der Fortbewegung ist, wird sie für viele Touristen zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die wichtigsten Faktoren dieser einzigartigen Reise sind eine besondere Atmosphäre, entspannende Entschleunigung und die Möglichkeit zur Besichtigung eindrucksvoller Sehenswürdigkeiten.
Verehrer des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski sollten sich keinesfalls einen Zwischenstopp in Omsk entgehen lassen. Unter dem Verdacht angeblicher staatsfeindlicher Aktionen wurde er 1849 zum Tode verurteilt, von Zar Nikolaus I. begnadigt und für vier Jahre in die Verbannung nach Omsk geschickt. Unter unmenschlichen Bedingungen fristete er in dieser Zeit sein Dasein als Zwangsarbeiter, eher er ab 1854 zum Militärdienst abkommandiert wurde. Das ehemalige Gebäude der Lagerkommandantur in Omsk beherbergt heute ein sehr sehenswertes Dostojewski-Museum, in dem neben Ausstellungsgegenständen und Bildern auch die Totenmaske des Schriftstellers zu sehen ist.
Auch berühmte Persönlichkeiten erliegen immer wieder dem besonderen Charme der längsten Eisenbahnstrecke der Welt. Dazu zählt auch Paulo Coelho, in dessen Roman "Aleph" eine Reise mit der Transsib zu einer Sinnsuche nach dem eigenen Selbst wird.
Die Erfahrungen und Erlebnisse während der Fahrt sind maßgeblich abhängig davon, welche Strecke, welcher Zug und welche Klasse gebucht wurde. Ohne Zweifel ist die 4. Klasse (Obschchy) die preisgünstigste Möglichkeit für eine Reise mit der Transsib, Komfort wird hier in den offenen Abteilen für mehrere Personen jedoch nicht geboten. Auch Bettwäsche oder Schlafplätze sind nicht vorhanden.
Bei der 3. Klasse (Plazkartny) handelt es sich um einen Großraum-Liegewagen mit durchschnittlich 54 Schlafplätzen, die Betten sind jeweils in Zweiergruppen übereinander angeordnet. Auf der einen Seite des relativ schmalen Ganges befinden sich die Betten parallel zur Fahrtrichtung übereinander. Die Betten auf der anderen Gangseite sind in Fahrtrichtung angebracht. Diese Klasse wird in erster Linie von den Einheimischen genutzt und der gebotene Komfort liegt für westliche Verhältnisse eher auf dem Niveau einer Jugendherberge.
Empfehlenswerter ist diesbezüglich daher ohne Zweifel die Wahl der 2. Klasse (Kupe), hier befinden sich je vier Betten im abschließbaren Abteil. Besserer Komfort und deutlich mehr Privatsphäre sind jedoch leider auch mit einem höheren Preis verbunden. Der Kontakt mit Einheimischen ist hier etwas eingeschränkter, da diese Klasse in erster Linie von vielen Touristen genutzt wird.
Eine komfortable Reise in der 1. Klasse (Luxus) gewährleistet den Passagieren einen komfortablen Aufenthalt in einem der abschließbaren Zwei-Bett-Abteile, die teilweise mit TV und DVD ausgestattet sind. Hier wird jedoch häufig der doppelte Preis einer Reise in der 2. Klasse fällig, allerdings sind diese Abteile nicht in allen Zügen buchbar.
Eine Erfahrung der besonderen Art dürfte jedoch für die meisten Reisenden die Klassen jenseits der 1. Klasse sein. Zu entsprechend hohen Preisen können die Kunden hier auf Wunsch die Reise in einer eigenen Suite mit Bad und persönlichem Butler antreten. Auch der Express Kaiserliches Russland bietet den anspruchsvollen Reisen ein hohes Maß an Komfort. Als einer der ältesten Luxuszüge in Russland eilt dem Zarengold-Express ein legendärer Ruf voraus, der durchaus einem 5-Sterne-Hotel gerecht wird. Die größten Abteile bietet jedoch der Steinadler-Express, der von einer nostalgischen P36-Lokomotive gezogen wird. Teurer Champagner und hochwertige Pflegeprodukte aus dem Hause L’Occitane gehören zur Standardausstattung dieses Reisezuges.
Im Gegensatz zu europäischen Bahnstrecken gibt es bei der Transsibirischen Eisenbahn keine Hochgeschwindigkeitsabschnitte, im Schnitt beträgt die Reisegeschwindigkeit etwa 60 bis 70 km/h. Immer wieder gibt es Pläne zum Hochgeschwindigkeitsausbau, bisher wurden diese jedoch noch nicht verwirklicht.
Nach Ansicht vieler Touristen ist jedoch auch die Entschleunigung ein wichtiger Faktor, der eine Reise mit der Transsib durch Russland zu einem einzigartigen Erlebnis macht. So eröffnen sich den Reisenden ungewöhnliche Einblicke in die russische Geschichte und Kultur sowie in das moderne Leben der Russen.
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