Ukraine
Unterwegs im zweitgrößten Land Europas
Moldawiens Küche steckt voller Überraschungen. Und damit sind nicht nur die Placinte gemeint, die Teigtaschen, die mit den verschiedensten Füllungen aufwarten. Gegessen wird, was die fruchtbare Region hergibt. Die Gerichte sind bodenständig, traditionell und in ihrer Schlichtheit raffiniert und üppig. Was auf den Tisch kommt, ist typisch moldawisch und einheitlich, die Einflüsse der Nachbarländer machen sich jedoch bemerkbar: Griechenland, Rumänien, Russland, die Ukraine und auch die Türkei lassen kulinarisch grüßen.
Dass Moldawien, in der Amtssprache Rumänisch und auf Moldawisch "Republica Moldova", seit 1991 durch die Unabhängigkeit von der ehemaligen Sowjetrepublik wirtschaftlich zu den ärmsten Ländern Europas gehört, tut der Küche wenig Abbruch. Dafür sorgt die milde Lage nahe am Schwarzen Meer, von dem die Landesgrenze nur zwei Kilometer entfernt ist. Hier wächst fast im Überfluss, was moldawisches Essen zum Erlebnis macht: viele Sorten schmackhafter Tomaten, alle Arten von Kürbisgewächsen, Kartoffeln, Auberginen, Paprika, Mais. Daneben sind Hülsenfrüchte ein Bestandteil der traditionellen moldawischen Küche. Oft besteht die Hälfte der Mahlzeit aus Gemüse. "Eine Zwiebel und ein Rettich machen noch keinen Garten", lautet deshalb eine alte moldawische Redensart.
Fährt man übers Land, so stellt man schnell fest, dass Tierhaltung sogar in den einfachen Häusern mit ihren kleinen Vorgärten ebenfalls echt moldawisch ist. Platz und Futter für ein paar Hühner, ein Schaf oder eine Ziege und sogar für das Hausschwein finden sich fast überall. Und so landet in der Küche, was die Nutztiere hergeben. "Lieber ein Ei hier als weit weg einen Stier", dieses Sprichwort ist bezeichnend für die sparsame Art der moldawischen Hausfrauen. Gegessen wird ebenfalls, was die langen Nußbaumalleen abwerfen, was Eichenwälder, Landstriche mit Hecken und die Steppe nicht nur an Pilzen, sondern auch an Jagdbarem beherbergen. Hase, Reh und Wildschwein auf den Tisch zu bringen, steht ebenfalls für moldawischherkömmliche Gerichte. Fisch dagegen wird in der Küche eher vernachlässigt.
Die moldawische Küche schöpft aus diesen Schätzen. In den meisten Nationalgerichten werden gleiche Grundzutaten verwendet. Schafskäse, Quark und Rahm, Hülsenfrüchte und Mais sind Bestandteil vom Frühstück bis zum Abendessen, von der Vorspeise bis zum Dessert. Als Beilagen dienen Hülsenfrüchte. Maisbrei ist ebenfalls typisch moldawisch und als Mamaliga seit dem 18. Jahrhundert ein Nationalgericht. Zur Zubereitung der Speisen wird Schweinefett und Sonnenblumenöl bevorzugt.
Bekannt und traditionell moldawisch ist Brynsa. Dieser Schafskäse wird in Salzlake hergestellt und nach rund einer Woche frisch gegessen oder weiterverarbeitet. Dass kein Bestandteil eines Nahrungsmittels verschwendet wird, ist in der moldawischen Küche ebenfalls selbstverständlich. Die bei der Herstellung von Brynsa gewonnene Molke wird zur Zubereitung einer Suppe genutzt, der Syrbuschka. Der Frischkäse aus Schafsmilch wird ebenso für Süßspeisen verwendet. Mamaliga, ein Maisbrei, darf als besondere Zutat ebenfalls eine ordentliche Portion Schafskäse enthalten. Wie wichtig den Moldawiern ihre Molkereiprodukte sind, erzählt folgendes Volksmärchen:
Es war einmal vor langer Zeit. Tyndales Frau brauchte für die Placinte saure Milch und saure Sahne. Als braver Ehemann ging Tyndale sofort los. Auf dem Markt angekommen, stellte er fest, dass er die Krüge vergessen hatte. Erst war er ratlos, nahm dann aber kurz entschlossen seinen Hut und dachte: "Das hat doch auch alles Platz." Die Milchfrau tat wie ihr geheißen und schüttete die saure Milch in den Hut. "Wohin mit der Sahne?", fragte sie. Flugs drehte Tyndale den Hut um. Unbemerkt floss die saure Milch auf den Boden. Er machte sich auf den Heimweg und dachte noch, wie geschickt er doch sei. Zuhause in der Küche wartete seine Frau auf ihn. Verwundert sah sie auf den Hut und stellte fest, dass dort die Sahne war. "Aber wo ist die saure Milch?". "Hier", sagte Tyndale und drehte den Hut wieder um. Weg waren die Einkäufe. Der Kuckuck soll den Mann holen!
Auch bei Fleischgerichten bleibt kein genießbarer Bestandteil übrig. Die fleischigen Anteile des Geflügels werden gegrillt, Geflügelreste und die Innereien dienen zur Herstellung von nahrhaften Suppen wie der Ciorba de Potroace. Falls sich in der Suppe Hahnenkämme oder Hühnerfüße befinden, mag das ungewohnt erscheinen. Es lohnt sich aber, diese zu versuchen. Auch knusprig vom Grill gelten diese Hühnerteile als Delikatesse. Etwas exotisch mutet Tocana an. In diesen Eintopf aus Schweinegeschnetzeltem kommen Wassermelonen und Äpfel. Dieser süß-saure Gegensatz findet sich auch bei anderen moldawischen Gerichten, etwa Truthahn mit Aprikosen oder Kalbfleisch mit Quitten.
Rotwein und Tomatensaft zusammen sämig einzukochen, ist ebenfalls moldawische Kochkunst. Diese Reduktion wird bei Fleischgerichten aus Schwein, Rind oder Schaf eingesetzt. Die feine Säure von Wein und Tomaten macht das Fleisch mürbe, ein Ragout wird zum Hochgenuss. Für Familienfeiern und die Freizeit kommen Mititey, Würste aus Rindfleisch, und Kyrnizey aus Schweinefleisch auf den Grill. Musaka, eingelegtes Gemüse und Maisfladen sind dazu beliebte Beilagen. Gewürzt wird großzügig: Koriander, Kümmel, Paprika von mild bis brennend scharf und natürlich Knoblauch, wilder und aus dem eigenen Garten, dürfen an Fleisch und Gemüse nicht fehlen. Was beim Schlachten an Fleisch übrig bleibt, wird zu Hackfleisch verarbeitet. Hier sind Parjoale - Klößchen aus Kalbfleisch - und Kifteluze - aus Rindfleisch - ganz oben in der Gunst der moldawischen Genießer.
Mit Fleisch und Gemüse ist ein moldawisches Mahl noch nicht abgeschlossen. Es folgt das Dessert, das als Zutat eingedickten Traubensaft oder Pelti, einer moldawischen Konfitüre aus Beeren und Saft, hat. Dazu gibt es Gebäck und Süßigkeiten aus Nüssen und Nussnougat. Das türkische Halwa ist in Moldawien als Chalwa oder Alwiza bekannt. Beim Feiern nicht fehlen darf Alkoholisches: Weißwein und Roter, feinherb oder fruchtig schwer, und die beiden bekanntesten Schnäpse Nistriju und Doina steigen zu Kopf, wenn man versucht, mit der Bevölkerung mitzuhalten.
Die Verbindung unterschiedlicher Zutaten gelingt bei den Rezepten für die moldawischen Placinte, die Reisende in ihrer Vielfalt probieren sollten. Mit Weizenmehl, Wasser und Hefe wird ein Teig hergestellt. Die Füllung der Teigtaschen richtet sich nach dem Anlass. Zum Frühstück und als Dessert werden Äpfel, Schafskäse, Trauben und Rosinen oder Schokolade in den Teig verpackt. Die bodenständige Alltagsvariante der Füllung besteht aus Kartoffeln mit Kraut oder pikant gewürztem Schafskäse. Im Ofen gebacken wird Skrob, ein Eieromelett, das ebenfalls mit Schafskäse und anderen Zutaten gefüllt wird.
Es steht fest: die moldawische Küche ist immer eine Reise wert. Wer im Herbst im Lande ist, hat vielleicht sogar eine einzigartige Gelegenheit, typisch moldawische Küche zu genießen. Geheiratet wird nämlich dann, wenn alle Schätze aus dem eigenen Garten geerntet und beim großen Fest mit allen Gästen genossen werden können. Fremde müssen zumindest einen Nistriju oder Doina trinken. Noroc! Sanatate! Zum Wohl!
Wer nicht das Glück hat, eine Moldawien Reise zu unternehmen, kann in der eigenen Küche ein echt moldawisches Gericht zubereiten:
Man nehme:
8 Paprikaschoten
1 kleinen Kopf Weißkohl
8 Zwiebeln
4 Möhren
20 g geriebenen Käse
4 - 5 Esslöffel Sonnenblumenöl
Petersilie, Dill, Salz und Pfeffer nach Geschmack
Für die Füllung Kohl und Möhren waschen, Zwiebeln schälen und alles in feine Streifen schneiden. Im heißen Öl in einer großen Pfanne anbraten, würzen. Paprikaschoten ebenfalls waschen, Deckel abschneiden und Häute entfernen. Zwei bis drei Minuten in kochendem Wasser blanchieren, in einem Sieb abtropfen lassen. Schoten füllen, nebeneinander in einen flachen Topf mit Öl geben, etwas Wasser darüber sprengen, mit dem geriebenen Käse bestreuen. Den Topf zugedeckt etwa 30 bis 40 Minuten bei 150 Grad schmoren lassen.
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