Ukraine
Unterwegs im zweitgrößten Land Europas
Geschichte der Ukraine
Der 2010 gewählte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch benötigt genau drei Jahre, um das Volk endgültig gegen sich aufzubringen. In dieser Zeit entmachtet er das Parlament und zieht den größten Teil staatlicher Entscheidungsbefugnisse auf das Präsidentenamt. In kürzester Zeit entlässt er alle Angestellten an den Schalthebeln der Staatsmacht und besetzt diese Positionen mit, wenn auch teils inkompetenten, so doch ihm loyal ergebenen Gefolgsleuten.
Er inszeniert einen unfairen Schauprozess gegen seine einstige politische Gegenspielerin Julia Timoschenko und läßt sie durch eine willfährige Justiz zu jahrelanger Haft im Frauengefängnis von Charkiw verurteilen. Politische Proteste ihrer Anhänger, Proteste, Appelle und Hilfsangebote für eine medizinische Behandlung der in Haft schwer erkrankten Politikerin aus dem westlichen Ausland sitzt er aus.
Er schränkt die Pressefreiheit systematisch ein, lässt kritische Journalisten und Medien verfolgen, einschüchtern und zuletzt umbringen. Aber nicht nur diese.
Unterdessen saugen er und seine Kumpane die Ukraine wirtschaftlich aus, privatisieren Staatsunternehmen in die eigenen Hände, veruntreuen ukrainische Gelder und unternehmen nichts gegen die immer stärker grassierende Korruption. Dazu flechten Sie im Ausland ein undurchschaubares Netz von Offshorekonten, Firmenbeteiligungen und Geldanlagen, in denen die geraubten Gelder verschwinden.
Gleichzeitig hat die globale Finanzkrise, der Reformunwillen und die Korrumpiertheit der Administration die Ukraine fest in Griff. Lukrative Unternehmen werden mit Hilfe der korrupten Justiz den einstigen Besitzern gewaltsam gestohlen und auf Mitglieder der Regierungsclique "überschrieben". Die Einkommen der Ukrainer stagnieren bei steigenden Preisen und einer galoppierenden Inflation. Die Nationalbank versucht nach Kräften, den Kurs der an den Dollar gebundenen Griwnja zu stabilisieren - zu Lasten der dramatisch sinkenden Devisenreserven des Landes.
Außenpolitisch scheint Janukowitsch sein Versprechen, die Ukraine als Brücke zwischen Ost und West zu positionieren, zu halten. Bis er im Oktober 2013 seine Unterschrift unter ein unterschriftsreifes Kooperationsabkommen mit der Europäischen Union verweigert. Er begründet diesen Schritt mit der desolaten wirtschaftlichen Lage der Ukraine und den unkalkulierbaren Kosten, die die Umsetzung des über fast ein Jahrzehnt verhandelten Abkommens für die Ukraine bedeuten würde.
Mit diesem Schritt düpiert er die Europäische Union, die dem Treiben des Präsidenten in den vergangenen Jahren zwar indigniert, aber auch recht teilnahmslos zugeschaut hat, vor allem jedoch all die ukrainischen Wähler, denen er vor seiner Wahl 2010 eine europäische Perspektive versprochen hatte. Und diese Wähler, unzufrieden mit dem Kurs der vergangenen drei Jahre, wollen nun nicht länger stillhalten, besetzen Anfang November 2013, wie schon zur Orangen Revolution, den Kiewer Majdan Nesaleschnosti im Herzen der ukrainischen Hauptstadt und beginnen einen friedlichen Protest. Sie stellen Plakate auf, errichten mit Zelten ein Protestcamp.
Die Zahl der Protestierenden steigt allmählich an, Sympathisanten organisieren die Versorgung der Protestierenden mit Lebensmitteln und Heizmaterial. Eine Bühne wird errichtet, auf der populäre ukrainische Bands ihren Protest gegen die Entscheidung des autoritären Präsidenten künstlerisch zum Ausdruck bringen. Bald hat die Protestbewegung auch ihren Namen gefunden: In Anlehnung an das Ziel ihres Protestes nennen sie sich "Euromaidan". Der Begriff findet seinen Weg in die Medien und sozialen Netzwerke rasend schnell.
Zu den Wortführern dieser Protestbewegung werden drei populäre, wenn auch teils umstrittene Männer. Da ist zum Einen Arsenij Jazenjuk, Fraktionschef der Oppositionspartei "Vaterland (Batkiwschina)". Jazenjuk ist studierter Volkswirt und sammelte in verschiedenen Regierungsämtern politische und wirtschaftliche Erfahrungen, dazu schärft er in den Protesten sein Profil als Oppositionsführer. Im Volk gilt er als ehrlich, aber recht farblos.
Der zweite Vorkämpfer des Euromaidan ist Oleg Tjagnibok, Führer der rechtsnationalistischen Partei "Freiheit (Swoboda)", die im Westen der Ukraine ihre meisten Anhänger hat. Der studierte Arzt gilt auch als inkorrupt, fiel jedoch in der Vergangenheit durch radikalen Rechtspopulismus auf, den seine Anhänger mitunter auch tatkräftig auf die Straße bringen. Diese radikalen Nationalisten werden in Kürze eine maßgebliche Rolle auf dem Euromaidan übernehmen.
Der dritte im Bund ist in Deutschland gut bekannt und bei Sportfreunden beliebt, es ist der ehemalige Boxweltmeister Vitalij Klitschko. Obgleich politisch unerfahren, will Klitschko die Erfahrungen und Vorteile, die er während seiner Jahre in den stabilen Demokratien im westlichen Ausland gesammelt und erfahren hat, an sein Heimatland Ukraine und die Ukrainer weitergeben. Die EU betrachtet ihn als vielversprechenden Ansprechpartner für demokratische Umwälzungen und unterstützt seine Partei "UDAR (Ukrainische demokratische Allianz für Reformen)"
Viktor Janukowitsch versucht zunächst, diesen Protest ein ums andere Mal auszusitzen, ignoriert zuerst, diffamiert die Menschen auf dem Majdan später als Terroristen und Kriminelle. Tatkräftige Unterstützung erhält er aus den Propagandabunkern des russischen Präsidenten, die ein wahres Feuerwerk an irreführenden Behauptungen und Verunglimpfungen entfachen, um die öffentliche Meinung in Ost und West zu steuern. Doch zur Rolle Russlands später.
Je länger sich der Protest aus dem Euromaidan hinzieht, umso größere Kreise zieht die Protestbewegung in der Ukraine. Beschränkte sich der Protest zunächst örtlich auf den zentralen Platz in Kiew, gründen sich im ganzen Land Unterstützungsinitiativen, die Sach- und Geldspenden für die Aktivisten auf dem Euromaidan sammeln und Busse für die immer breiteren Ströme an freiwilligen Demonstranten koordinieren (die Kosten für die Bustransporte werden von den Freiwilligen aus eigener Tasche finanziert, nicht aus westlichen Hilfsgeldern, wie die russische Propaganda behauptet). Im Dezember rufen die Wortführer zum "Marsch der Millionen" auf und wollen auf dem Euromaidan über eine Million Demonstranten im Protest gegen den russlandtreuen Kurs von Janukowitsch vereinen, was beinahe gelingt.
Doch der Majdan Nesaleschnosti bleibt nicht das einzige Diskussionsforum, auf dem die Ukrainer ihren Zukunftsentwurf diskutieren, auch in den großen Städten werden Demonstrationen für und gegen die Herrschaft des amtierenden Präsidenten organisiert, es kommt zum Aufeinandertreffen von Gegnern und Befürwortern des Euromaidan, dabei fliegen die ersten Fäuste.
Als Janukowitsch einsehen muss, dass sich die Proteste gegen seine Amtsführung und den prorussische Kurs nicht dauerhaft ignorieren lassen, beginnt er ein gefährliches Spiel: auf der einen Seite tut er so, als wenn er mit den Vertretern der Opposition über Wechsel seiner Politik verhandeln würde, lässt sich dabei auf Zusagen an die Forderungen des Euromaidan ein und widerruft diese Zusagen am folgenden Tag. Auf der anderen Seite fährt seine Polizei, allen voran die Spezialeinheiten "BERKUT" immer wieder Angriffe auf die friedlichen Demonstranten des Euromaidan.
Was zunächst nach Einzelbefehlen übergeschnappter Polizeioffiziere aussieht, verdichtet sich sehr schnell zu einem Muster und fordert die Wehrhaftigkeit des Euromaidan heraus. Und wirklich: Nach langen Wochen friedlichen, aber ergebnislosen Demonstrierens radikalisiert sich ein Teil der Aktivisten. Der friedliche Protest auf dem Majdan Nesaleschnosti verliert seine Unschuld. Zunächst werden Barrikaden errichtet, die die Übergriffe der Polizisten verhindern sollen. Als dies nicht den gewünschten Erfolg bringt, beginnen die Angriffe gewaltbereiter Demonstranten auf Polizisten und Spezialeinheiten. Mit Knüppeln, Steinen und Molotowcocktails provozieren die Radikalen die Staatsmacht, die ihrerseits mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummiknüppeln gegen Radikale, aber auch gegen friedliche Demonstranten und Unbeteiligte vorgeht. Und es fallen die ersten Schüsse.
Mit den Protesten in Kiew flammen auch die Auseinandersetzungen der globalen Mächte wieder auf, die mächtige Interessen am Verbleib der Ukraine im jeweiligen Machtbereich haben.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben es immer noch nicht geschafft, sich aus der bipolaren Weltsicht vollständig zu lösen. Noch immer ist Russland einer ihrer Hauptgegner und jede Schwächung dieses Gegners bedeutet eigenen Machtzuwachs. Also agieren sie hinter den Kulissen frühzeitig auf diplomatischer und wohl auch informeller Ebene, um die Krise für einen maximalen eigenen Einflusszuwachs zu nutzen. Dabei geht es ihnen klassisch zunächst um schnelle Ergebnisse und sie agieren in gewohnter Manier "Erst schießen, dann reden". Ansonsten ist die Ukraine wohl im Bewusstsein der Amerikaner genau solch ein "Tröpfchen Tinte" auf der Landkarte wie die meisten anderen Länder der Welt.
Die zögerliche Haltung der Europäer können sie so gar nicht teilen (Zitat der für Europa zuständigen Staatssekretärin des US- Außenministeriums, Victoria Nuland: "Fuck the EU") und deren präferierten Kandidaten für den neuen PräsidentenVitalij Klitschko auch nicht. Sie setzen auf Arsenij Jazenjuk. Und gewinnen zunächst.
Die EU, die Blaupause vieler Ukrainer für ihr Land, sucht nach Jahren und Monaten der Untätigkeit und Planlosigkeit noch immer nach dem richtigen Umgang mit dem wenig geliebten, beinahe zugelaufenen Patenkind. Einerseits ist der wirtschaftliche Faktor einer derartigen Erweiterung nach Osten gewaltig, das macht die Ukraine zu einem attraktiven Gesprächspartner. Andererseits verlief die bisherige Geschichte der Ukraine alles andere als kontinuierlich, um sie als stabil und damit verlässlich zu bezeichnen. Daneben müsste die Ukraine zur Adaption an das europäische Marktgefüge gewaltige Reformen in Angriff nehmen, die für andere Länder in der Vergangenheit größtenteils von der EU finanziert wurden, was die Ukraine für die EU zu einer finanziellen Herausforderung macht.
Daneben will die EU aber geopolitisch ihren Einfluss vergrößern, um im multipolaren Machtgefüge der Welt an Gewicht zu gewinnen, doch auch hier macht sich die fehlende Einheit der EU bemerkbar: da es im europäischen Apparat für die Beziehungen zur Ukraine keine klaren Verantwortlichkeiten gibt, ist jeder, der etwas zu sagen hat, mal ein bisschen da und sagt etwas, aber im Ergebnis kommt nichts zustande, weil sich eben keiner richtig verantwortlich fühlt. So läuft sich denn auch Vitalij Klitschko in Gesprächen um Unterstützung der Ukraine bei den Europäern die Hacken wund und wird als Fotoikone herumgereicht, kann jedoch keine verbindlichen Zusagen oder konkrete Ergebnisse erzielen.
Und natürlich kommt man bei der Betrachtung des politischen Konflikts in der Ukraine nicht an Russland vorbei. Dieses größte Land der Erde betrachtet die Ukraine bis heute traditionell als urrussische Domäne. In den Weiten der Ukraine liegt die geschichtliche Wiege des heutigen Russland, weite Teile der heutigen Ukraine wurden durch russische Zaren erobert, befriedet und besiedelt. Den Ukrainer als solches betrachten die Russen irgendwie als einen von ihnen: "Im russischen Volk hält sich eine sehr besondere Beziehung zu den Ukrainern. Sie ist nicht schlecht und nicht gut, sie ist seltsam und basiert darauf, dass die Ukrainer unsere kleinen Brüder sind, ein bisschen tumb, ein bisschen naiv, und dass sie ohne uns Russen verloren wären." (Viktor Jerofejew in der FAZ)
Dazu kommt, dass die Ukraine schon mal Teil eines großrussischen Imperiums, genannt Sowjetunion, war und darin eine wichtige Rolle spielte. Seit dieser Zeit läßt der russische Präsident keine Gelegenheit aus, die auch nur den Hauch einer Chance verspricht, das nationale Abenteuer der Ukrainer zu beenden und die Ukraine in den russisch dominierten Staatenverbund zurückzuführen. Denn eins ist klar: Für Russland ist die Ukraine noch immer sehr wichtiger Handelspartner mit bedeutenden Bodenschätzen und politische Pufferzone gegen den Westen. Der Verlust dessen ist im russischen Bewusstsein kaum vorstellbar.
Bislang war Viktor Janukowitsch, auch wenn dieser es immer wieder versuchte zu kaschieren, der größte Trumpf im Blatt der Russen und es wäre ihm ja auch fast gelungen. Als sich jedoch abzeichnete, dass dieser es nicht so einfach schaffen würde, neue Realitäten herzustellen, setzten die Russen, allen voran ihr Präsident in Moskau, Himmel und Hölle in Bewegung, um den drohenden Verlust politischer und wirtschaftlicher Macht zu verhindern. Über die vereinigten gleichgeschalteten russischen Sendestationen wurden die in der Ukraine lebenden Russen wechselweise belogen, eingeschüchtert und hinters Licht geführt.
Man sperrte zeitweise die gemeinsame Grenze für den Handel. Die Manipulationen um den Preis des an die Ukraine gelieferten Erdgas und -öl und deren zeitweises Embargo durch die Russen prägten den Begriff des "Gaskriegs". Diese Keule zeigen die Russen immer wieder. Daneben versprachen sie den Ukrainern immer wieder Hilfe und finanzielle Unterstützung.
Kurz gesagt, Russland spielt bis heute mit den Ukrainern "Zuckerbrot und Peitsche". Die neuernannte ukrainische Übergangsregierung wird nicht anerkannt, versprochene Kredite werden nicht ausgezahlt und moskauhörige russische Banken kürzen die bestehenden Kreditlinien. Man will die Zeit für sich arbeiten lassen. Stattdessen spielt man sich nun als Retter und Beschützer der in der Ukraine lebenden Angehörigen der russischen Nationalität vor den "Separatisten, Terroristen, Kriminellen, Verbrechern und Hooligans" aus dem Westen auf und versucht Keile in die eigentlich einige Bevölkerung der Ukraine zu treiben. Besonders abgesehen hat es Wladimir Putin dabei offensichtlich auf die Krim, die die Mehrheit der Russen seit jeher als russisches Staatsgebiet betrachten und die Schenkung der Schwarzmeer- Halbinsel 1954 an die ukrainische SSR durch Nikita Chrustschow umkehren wollen.
Abseits des Majdan greifen die Staatsorgane, allen voran der Inlandsgeheimdienst SBU und die Berkut- Söldner, zu immer härteren Mittel gegen den Protest. Kritische Journalisten und Anführer des Euromaidan werden verfolgt, an geheime Orte verschleppt, eingeschüchtert, gefoltert. Autos der Protestführer gehen nachts in Flammen auf.
Die radikalen Kräfte am Rande des Mjidans zielen bald nicht mehr auf Personen, sondern verfolgen strategische Ziele. Es werden die ersten öffentlichen Einrichtungen erobert und friedlich besetzt, das Kiewer Rathaus, das Justizministerium. Stück für Stück demontieren diese Kämpfer die Staatsmacht. Das Kiewer Rathaus wird bald zum Lazarett, Ärzte und Schwestern betreuen die Verwundeten und Verletzten des Majidans freiwillig und unentgeltlich.
Als die ersten Menschen auf dem Majdan sterben, ist die Spirale nicht mehr aufzuhalten. Wenn jetzt Ukrainer auf Ukrainer schießen, wird damit ein wesentlicher Baustein des ukrainischen Selbstverständnisses zerstört. Über 100 Ukrainer werden durch teils gezielte Schüsse aus Scharfschützen- und Maschinengewehren getötet. Dabei sterben vor allem unbewaffnete, friedliche Demonstranten und Unbeteiligte.
Während die Kämpfe auf dem Majdan an Schärfe zunehmen, verliert der Präsident immer stärker an Rückhalt bei den eigenen Leuten. In Scharen verlassen die gekauften Abgeordneten im ukrainischen Parlament (Werchowna Rada) die Fraktion von Janukowitschs Partei der Regionen. Der Kiewer Bürgermeister, der Kiewer Polizeichef erklären ihren Rücktritt und hinterlassen führungslose Apparate.
In den Großstädten des Landes werden die Stadt- und Gebietsverwaltungen durch Euromaidanisten besetzt und die Bürgermeister und Gouverneure abgesetzt. Polizei und Armee erklären sich in mehreren Landesteilen zum Euromaidan neutral oder solidarisch und unterstreichen so ihren Gewaltverzicht. Es setzt ein Massenexodus des Staatsapparates ein.
Auch Viktor Janukowitsch hat nun die Brisanz der Situation für sich selbst erkannt. Er räumt sein Anwesen und den riesigen Palast, in denen er sein Diebesgut angehäuft hat, hastig leer und flüchtet auf einer Odyssee durch das Land. Er versucht, aus der Ukraine zu fliehen und wird selbst an den Orten, an denen er früher loyale Gefolgsleute mit fütterte, an seiner Flucht gehindert. Tagelang taucht er unter, um dann wieder in Moskau aufzutauchen. Dort geben ihm die vereinigten gleichgeschalteten Medien ein Podium, auf dem er seinen ungebrochenen Anspruch auf das Präsidentenamt in der Ukraine erhebt und gleichzeitig um Asyl in Russland bittet. Russland gewährt es.
In Kiew übernimmt das Parlament nun wieder die Initiative, scharf beäugt und kontrolliert durch die Menschen auf dem Euromaidan, die den korrupten Politikern dort nicht mehr trauen. Zunächst wird die Gallionsfigur der Batkiwschina, Julia Timoschenko, umgehend freigelassen, sie eilt nach Kiew und will gleich ins politische Geschehen eingreifen. Als weitere Entscheidung hebt das Parlament die weitreichenden Befugnisse des Präsidenten auf und gibt dem Parlament seine Gesetz- und Kontrollvollmachten zurück. Und es wird eine Übergangsregierung gebildet, der als Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk vorsitzt.
Er gibt den Ukrainern die erste bittere Pille: Das Land ist quasi bankrott. Schnell wird der Ruf nach internationaler Hilfe laut, die EU und die USA sichern ihre Unterstützung zu, der IWF erklärt seine Bereitschaft, schnellstmöglich Hilfsgelder fließen zu lassen. Russlands Banken und der russische Staat drehen den Geldhahn zu und lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Ukraine eher vor Hunde gehen lassen, als die neu gewählte ukrainische Regierung anzuerkennen und zu unterstützen.
Der Euromaidan und das ukrainische Parlament legen für den 25. Mai 2014 Neuwahlen fest. Dann soll für die Ukraine ein neues politisches Kapitel aufgeschlagen werden. Bis dahin gilt es, die über 100 Toten (heute bekannt als die "Himmlische Hundertschaft"), die die bewaffneten Auseinandersetzungen rund um das Kiewer Stadtzentrum gefordert haben, zu beweinen und zu begraben. Die Trümmer und Zerstörungen, die der Kampf hinterlassen hat, müssen aufgeräumt werden und die an dem Desaster Schuldigen müssen benannt und ihrer Strafe zugeführt werden.
Für einen hat das schon konkrete Konsequenzen: Viktor Janukowitsch wird nun mit internationalem Haftbefehl wegen Massenmordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht, ihm droht ein Verfahren vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag.
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