Belarus
Auf ins Unbekannte!
Bei den letzten Bisons Europas
Im Grenzland zwischen Polen und Weißrussland befindet sich die Bialowieza, ein ausgedehntes Urwaldgebiet, das zu den größten Naturschätzen Europas gehört. Da der Bielawieza-Urwald in Teilen schon seit dem 15. Jahrhundert geschützt ist, hat sich in diesen Teilen ein nahezu unberührter Zustand erhalten. Dort kann man noch heute einen Eindruck davon bekommen, wie die sich selbst überlassene Natur vor hunderten Jahren aussah, mit unberührten Tiefenurwäldern, die früher ganz Europa bedeckten.
Die Flora und Fauna der Belaweschskaja Puschtscha suchen ihres gleichen in Europa. Die vorherrschende Vegetation sind Wiesen, Moos- und Grasmoore, Laub- und Nadelwälder. Am häufigsten sind Kiefern, Tannen, Steineichen, Besenbirken, Eschen, Hainbuchen, Schwarzelsen, Silberweiden und andere. Im Nationalpark befindet sich der einzige Weißtannenwald in Belarus.
Vor Ort befindet sich laut Parkverwaltung Europas höchste und älteste Fichte, mit einer Höhe von 40 Metern und einem Alter von 120 Jahren. Außerdem gibt es viele Sträucher und Gewächse wie den Gewöhnlichen Schneeball (Vibúrnum ópulus), den Faulbaum (Frángula álnus), die Gemeine Hasel (Córylus avellána), den Echte Seidelbast (Dáphne mezéreum), den Gemeinen Wacholder (Juníperus commúnis) und andere. In der Puschtscha wachsen circa 260 verschiedene Arten von Moosgewächsen, über 60% der Bioflora des Landes.
Die Belaweschskaja Puschtscha beheimatet heute die weltweit größte Wisentpopulation. Zu den seltenen Arten gehört außerdem der Baumschläfer (Dryomys nitedula) und der Siebenschläfer (Glis glis). Daneben lassen sich neben den prominenten Wisenten (Bison bonasus) Rothirsche (Cervus elaphus), Wölfe (Canis lupus), Füchse (Vulpes vulpes), Rehe (Capreólus capreólus), eurasische Luchse (Lynx lynx), Dachse (Meles meles), Baummarder (Martes martes), Fischotter (Lutra lutra) und viele andere gut beobachten.
Beeindruckend ist die Zahl der Tier- und Pflanzenarten, die anderswo in Europa nicht mehr zu finden ist. Hier gedeihen 958 Pflanzenarten, 260 Moosarten, über 290 Flechten und 570 Pilzarten. In der Faunaliste des Bialowieza Urwalds sind 59 Säugetiere, 227 Vogelarten, 11 Amphibien, 7 Reptilien, 24 Fischarten und mehr als 11 000 wirbellose Tiere verzeichnet. Darunter finden sich zahllose Arten aus der Roten Liste gefährdeter Arten: der schon erwähnte Wisent, Luchs, Seeadler (Haliaeetus albicilla), Schlangenadler (Circaetus gallicus), Schwarzstorch (Ciconia nigra), Bartkauz (Strix nebulosa) und viele andere.
Damit diese Pflanzen- und Tiervielfalt erhalten werden kann, wurde die Bialowieza in vier Zonen mit unterschiedlichem Schutzniveau eingeteilt: Schutzzone, Zone der geregelten Nutzung, freizeitorientierte Zone und Haushaltszone.
Das Territorium der Belaweschskaja Puschtscha hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die Regierungsgewalt wechselte seit dem 16. Jahrhundert viele Male. Immer war dieser Ort allerdings ein beliebter Ort für die Jagd. Es jagten hier Kiewer und litauische Fürsten, polnische Könige, russische Zaren, Generalsekretäre der KPDSU. Die offizielle Gründung erfolgte im Jahre 1409, als Jogaila der Großfürst von Litauen das Territorium zum Schutzgebiet erklärte, damals vornehmlich als Jagdterritorium für sich und seinen Vetter Witold. Vor allem die polnischen Könige aber etablierten den Ort als pompöse Jagddestination, mit allem höfischen Luxus und Komfort. Zu dieser Zeit wurden allerdings auch schon die ersten Jagdquoten eingeführt, vor allem zum Schutz der Wisente.
Im Jahre 1795 wurde die Belaweschskaja Puschtscha ein Teil des russischen Imperiums. Die Zaren gaben die Jagd mit der Ausnahme der Wisente wieder frei. Als Resultat ging die Tierpopulation stark zurück, Bären und Biber wurden komplett ausgerottet. Zar Alexander der Zweite führte daraufhin strenge Regeln zum Schutz von Wald und Tier ein. Um den Rothirsch wieder zu etablieren wurden seit 1864 verstärkt auch Tiere aus Deutschland dorthin verbracht. Im Jahre 1897 gab Zar Nikolai der Zweite den Befehl, die Puschtscha als Urwald zu erhalten.
Großen Schaden brachte allerdings der Zweite Weltkrieg. Die Bialowieza, wie sie von den Bewohnern der polnischen Seite des Urwalds heute genannt wird, befand sich damals unter deutscher Besatzung, die viele der Urwaldriesen abholzte. Während der zweijährigen Besatzungszeit wurden circa 4,5 Millionen Kubikmeter Holz nach Deutschland abtransportiert.
Die 1919 proklamierte Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik erhob die Puschtscha 1939 zum staatlichen Schutzgebiet. Der kurz danach beginnende 2. Weltkrieg unterbrach dies jäh. Auf Initiative von Hermann Göring wurde hier eine Jagdwirtschaft für die Größen des Reiches gegründet.
Nach der Befreiung von den Deutschen nahm das Schutzgebiet im Belarussischen Teil der Belaweschskaja Puschtscha nach dem Krieg seine Tätigkeit wieder auf. Allerdings wurden, um die Futterversorgung für Nutztiere zu verbessern, in der Gegend Moore entwässert und künstliche Wasserspeicher geschaffen.
Im Jahr 1992 wurde dem als Urwald erhaltenen Teil des Puschtscha von der UNESCO der Titel Weltnaturerbe verliehen.
Heute teilen sich Belarus und Polen das Territorium der Puschtscha. Der Urwald der Putschtscha hat eine Gesamtfläche von circa 1.500 Quadratkilometern, davon entfallen etwa zwei Drittel auf belarussisches und ein Drittel auf polnisches Staatsgebiet. Den Urwald durchfließen unzählige kleine Bäche und Rinnsale, in der Nähe des nordöstlichen Randes der Puschtscha befindet sich die Wasserscheide zwischen den Flüssen des Einzugsgebietes der Nordsee und des Schwarzen Meeres. An der Wasserscheide befindet sich das Moor Dikoe (russ. Wildes Moor), eines von Europas größten mesotrophen Niedermooren mit einer Fläche von 21.700 Hektar.
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