Ukraine
Unterwegs im zweitgrößten Land Europas
Moldawien - offiziell die Republik Moldau - liegt etwas versteckt zwischen der Ukraine und Rumänien im Südosten Europas. Der Staat, der mit 33.850 Quadratkilometern fast so groß ist wie Nordrhein Westfalen, wurde im Jahre 1991 gegründet.
Die Geschichte der Region Bessarabien, die sich heutzutage größtenteils mit dem Gebiet Moldawiens deckt, früher aber zu Rumänien gehörte, geht jedoch viel weiter zurück. Charakterisiert wird sie vor allem von Eroberungen durch das Osmanische Reich und Russland sowie der Abkapselung von Rumänien, die auch heute noch von Gegnern der Eigenständigkeit Moldawiens kritisch gesehen wird.
Paläolithikum: Wie zahlreiche Funde beweisen, bevölkern die ersten Urmenschen bereits etwa 500.000 Jahre v. Chr. das Gebiet des heutigen Moldawiens. Sie leben in vor allem in Butesti, Duruitoarea Veche oder Ofatinti gelegenen Grotten und Höhlen. Aus dem Jungpaläolithikum (etwa zwischen 35000 und 10000 v. Chr.) sind darüber hinaus bis zu 350 Dörfer bekannt, in welchen von verschiedenen Stämmen wie den Bobulesti, Ciuntu oder Rascov Werkzeuge und Kunstwerke aus Feuerstein, Knochen oder Mammut-Elfenbein gefertigt wurden.
Neolithikum: Die Zeit um etwa 6000 bis 3000 v. Chr. ist charakterisiert durch die im Gebiet zwischen den Flüssen Prut und Dniester siedelnden Kulturen wie der Bug-Dnister- oder der Linienbandkeramischen Kultur. Diese werden sesshaft und verstehen sich bereits darauf, Landwirtschaft zu betreiben und Gefäße aus gebranntem Ton herzustellen.
Äneolithikum: Die aus der Linienbandkeramischen Kultur hervorgehende Cucuteni Kultur dominiert in der Kupfersteinzeit auf dem Gebiet zwischen Karpaten und Dniester. In Moldawien sind allein 600 ihrer Siedlungen bekannt, in welchen die Mitglieder der Kultur als Landwirte und Viehzüchter arbeiteten.
Bronzezeit: Neben Objekten aus Bronze entstehen ab dem dritten Jahrtausend v. Chr. sogenannte Hügelgräber. In der späten Bronzezeit um etwa 1000 v. Chr. hortet die weit verbreitete Noua-Sabatinovka-Coslogeni-Gemeinschaft Bronzegegenstände wie etwa Streitäxte, Schmuck oder Sicheln.
Eisenzeit: Auch in der Region des heutigen Moldawiens kommt im späten zweiten Jahrtausend v. Chr. die sogenannte Hallstattkultur auf, die Materialien und vor allem Bestattungsbräuche der damals dort lebenden Gemeinschaften nachhaltig beeinflusst. Zudem entstehen durch die Verbreitung von Eisen neue Handelswege sowie Fürstentümer. Es ist eine klare Hierarchie erkennbar, an deren Spitze eine durch den Handel mit Eisen und anderen Materialien reich gewordene Oberschicht steht. Diese Epoche bildet zudem das Fundament für die Getae-Dacian Kultur, welche vom sechsten Jahrhundert v. Chr. bis hin zum ersten Jahrhundert n. Chr. existiert und bereits Festungen mit Schutzwällen und Burggräben beispielsweise in Trebujeni, Butuceni oder Saharna Mare erbaut. Funde von Münzen und Amphoren beweisen zudem Handelsbeziehungen zu Griechenland.
105 n. Chr.: Römische Truppen besetzen unter Imperator Trajan die Region Dakien, zu welcher sie auch das heutige Moldawien zählen. Dadurch erfährt die Bevölkerung eine "Romanisierung", nimmt die lateinische Sprache an und adaptiert die römische Kultur.
Ab 271: Nachdem die römischen Truppen sich aus Moldawien zurückziehen, erlebt die Region eine große Migrationswelle. Sowohl Hunnen und Slawen als auch Ostgoten und Mongolen siedeln dort im Verlaufe des ersten Jahrtausends n. Chr. an.
6. bis 13. Jahrhundert: Es bilden sich immer weitergreifende Siedlungen nach römischen Vorbild, in welchen hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht betrieben wird. Davon zeugen zahlreiche Funde von Pflügen oder anderen Werkezeugen beispielsweise in der Nähe von Branesti, Hansca oder Danceni. Aber auch Spindeln oder Handmühlen sind bereits in Gebrauch. Zudem entstehen in dieser Zeit die ersten Stadtzentren etwa in Cetatea Alba, Orheiul Vechi oder Costesti. Diese sind an Handelsrouten in den Westen und Osten angeschlossen und bilden wichtige politische, administrative und wirtschaftliche Anziehungspunkte.
1436: Chisinau wird zum ersten Mal urkundlich erwähnt.
14. bis 15. Jahrhundert: Aufgrund der hervorragenden Lage Moldawiens zwischen Ost und West sowie Nord und Süd gerät die Region schnell ins Visier der Königreiche Ungarn und Polen, die alsbald um die Vorherrschaft streiten. Ungarn errichtet bereits Festungen am Fluss Sereth und zunächst steht das Gebiet denn auch unter ungarischer Herrschaft. Der Vasallenstaat wird jedoch 1359 unter Fürst Bogdan I. unabhängig. Das "Fürstentum Moldau" wird ausgerufen.
15. bis 17. Jahrhundert: Die Unabhängigkeit gerät in den Folgejahren jedoch immer wieder in Gefahr. Der 1457 als Herrscher eingesetzte Fürst "Stephan der Große" (Stefan cel Mare) muss sich mit seinen Truppen etwa zunächst den Ungarn erwehren, die 1467 einmarschieren, in der Schlacht von Baia jedoch vernichtend geschlagen werden. Der größte Druck entsteht jedoch durch das im 14. Jahrhundert erstarkte Osmanische Reich. In der Schlacht von Vaslui im Jahre 1475 schafft es der Herrscher Moldaus zwar, 120.000 Kämpfer von Sultan Mehmed II. mit nur 40.000 Männern zu besiegen. Um 1485 fallen jedoch die Festungen Cetatea Alba und Chilia an die Osmanen, so dass Moldau der direkte Zugang zum Schwarzen Meer und somit ein wichtiger Handelsweg abgeschnitten wird. Nachdem Stephan 1497 noch die Polen aufhalten kann, die ebenfalls um sein Herrschaftsgebiet kämpfen, geht er 1504 einen Vertrag mit Sultan Bayezid II. ein, um die Unabhängigkeit seines Fürstentums zu sichern. Es werden jedoch Tributzahlungen an das Osmanische Reich fällig. Stephan verstirbt ein Jahr später.
1538: Moldawien gerät als Vasallenstaat unter osmanische Herrschaft, da nach dem Tod Stephan des Großen Streitigkeiten zwischen den Bojaren - Adelige im Rang unter dem Fürsten - entbrennen sowie durch unfähige Herrscher Tributzahlungen an das Osmanische Reich ausbleiben.
17. bis 18. Jahrhundert: Trotz der fehlenden Unabhängigkeit erlebt das Fürstentum Moldau in der Folgezeit eine goldene Episode, in welcher beispielsweise die erste moldawische Chronik entsteht (verfasst von Grigore Ureche, Miron Costin und Ion Neculce), 1642 die erste Druckerei eröffnet oder die rumänische Sprache in Gottesdiensten gesprochen wird. Es ist außerdem die Zeit des Fürsten Vasile Lupu, der 1646 das erste kodifizierte Gesetz in Moldau einführt, sowie des Historikers Dimitrie Cantemir, dessen Werk "Geschichte der Entstehung und des Verfalls des Osmanischen Reiches" im 18. Jahrhundert breite Bekanntheit erlangt. Im gleichen Jahrhundert regiert zudem Constantin Mavrocordat Moldau für einige Zeit und führt weitreichende soziale sowie administrative Reformen ein. So hebt er beispielsweise vorübergehend die Leibeigenschaft auf.
1812: Im Zuge der sogenannten Türkenkriege spielt Russland ab dem 17. Jahrhundert eine immer größere Rolle und versucht, die osmanische Konkurrenz zu verdrängen. Dies führt dazu, dass das Osmanische Reich 1792 im Rahmen des "Friedens von Jassy" einen Teil der Besitzungen aufgeben muss. 1812 wird darüber hinaus der "Frieden von Bukarest" geschlossen, durch den Russland die Region "Bessarabien" erhält.
1853-1856: Es folgt der Krimkrieg von 1853 bis 1856, in welchem das Osmanische Reich gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien und Sardinien gegen Russland kämpft und siegt. Der daraufhin geschlossene "Vertrag von Paris" garantiert unter anderem dem Fürstentum Moldawien Immunität und sorgt dafür, dass zumindest das südliche Bessarabien wieder unter moldawische Flagge gelangt.
1859: Die Fürstentümer Moldau und Walachei werden zu einem gemeinsamen Vorläuferstaat "Rumänien" vereinigt, ein Vasallenstaat des Osmanischen Reiches. Oberhaupt ist Alexandru Ioan Cuza.
1878: Da im Zuge der Balkankrise ein bewaffneter Konflikt unter anderem zwischen dem Osmanischen Reich, Russland, Großbritannien und Österreich-Ungarn unausweichlich erscheint, kommt es 1878 zum sogenannten "Berliner Kongress" unter der Schirmherrschaft von Reichskanzler Otto von Bismarck, der selber keine Ziele in Südosteuropa verfolgt und daher als neutral gilt. Durch den im Rahmen dessen geschlossenen "Vertrag von Berlin" fällt das südliche Bessarabien erneut zurück an Russland.
1917/1918: Durch die Februar- und Oktoberrevolution von 1917 angestachelt, formierte sich in Bessarabien ein Landesrat "Sfatul Tarii", welcher die Moldauische Demokratische Republik ausruft, die zunächst Russland angehört und ab Februar 1918 Eigenständigkeit für sich beansprucht. Unter dem Druck rumänischer Truppen, die sich seit Januar 1918 auf bessarabischem Gebiet befinden, kommt es jedoch im April des gleichen Jahres zu einem Zusammenschluss mit Rumänien. Diese Union wird jedoch von Russland nicht anerkannt. Vielmehr erklärt das russische Reich Bessarabien ab 1919 zum eigenen Territorium unter rumänischer Besatzung.
1922: Um die sowjetischen Ansprüche auf Moldawien zu stützen wird das Gebiet östlich des Flusses Dnister (heute Transnistrien) der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik einverleibt. Zwei Jahre später erhebt Russland die Region zur Moldauischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (MASSR) mit der Hauptstadt Chisinau, welche sich jedoch auf "rumänisch besetztem" Gebiet befindet. Auch hier liegt ein Ursprung des Transnistrien- Konflikts, da die Bevölkerung des Gebietes unter starkem russischen Einfluss steht.
1940: Im Zuge des Zweiten Weltkrieges und der Zusatzprotokolle des Hitler-Stalin-Paktes wird Bessarabien von sowjetischen Truppen besetzt und der Sowjetunion annektiert. Zudem wird die Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik gegründet, die nicht nur aus Bessarabien, sondern auch aus Teilen der MASSR besteht. Wichtige Gebiete im Süden - vor allem der Zugang zum Schwarzen Meer - fällt jedoch an die Ukrainische SSR, was auch heute noch weitreichende wirtschaftliche Folgen für Moldawien hat.
1941: Nach dem Bruch des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes durch Nazi-Deutschland greifen deutsche und rumänische Truppen die Moldauische SSR an. Dadurch gelangen Bessarabien und auch Transnistrien unter rumänische Flagge. Ein Großteil der jüdischen Bevölkerung wird deportiert und in in der Region Transnistrien gelegenen Lagern ermordet. Etwa 300.000 Menschen kommen dabei ums Leben.
1944: Zum Ende des Zweiten Weltkrieges hin fällt die Rote Armee zunächst in Transnistrien und Nord-Moldawien ein und bringt bis August 1944 das gesamte Gebiet des heutigen Moldawiens unter Kontrolle. Die Sowjetrepubliken werden erneut eingeführt und es beginnt eine "Russifizierung" Moldawiens. Zudem werden zahlreiche Systemkritiker sowie vermutete Anhänger Rumäniens oder Deutschlands nach Sibirien deportiert oder umgebracht.
1989: Moldauisch wird zur einzigen Staatssprache der MSSR erklärt. Russisch gilt damit als abgeschafft, was einen Auslöser für den Transnistrien-Konflikt darstellt.
1991: Durch das in den 1980er Jahren durch die Perestroika-Politik Michail Gorbatschows immer stärker werdende Nationalgefühl der einzelnen Sowjetstaaten, zerbricht die Union Stück für Stück. Moldawien wird im Zuge dessen am 27. August unabhängig. Überlegungen einer erneuten Union mit Rumänien werden ferner laut. Transnistrien - ein Gebiet mit hohem russischen und ukrainischen Bevölkerungsanteil - spaltet sich von Moldawien ab.
1992: Der Konflikt zwischen Transnistrien und Moldawien eskaliert und es kommt zwischen März und August 1992 zu kriegerischen Auseinandersetzungen, welche von der russischen Armee unter General Alexander Lebed unter Kontrolle gebracht werden. Seitdem ist Transnistrien ein De-facto-Regime, welches international nicht als unabhängig anerkannt wird. Es steht unter russischem Einfluss, gehört völkerrechtlich jedoch zu Moldawien.
Moldawien erlebte eine Blütezeit als Sowjetrepublik, trotzdem war der Drang nach Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der russischen Obrigkeit stark. Mit der Selbstständigkeit in den 1990er Jahren beginnen jedoch wiederum schwere Zeiten für die Bürger der Republik Moldova: Vor allem vom Kreml ausgesprochene Wirtschaftsembargos sowie Konflikte um die Region Transnistrien sorgen dafür, dass Moldawien heute als eines der ärmsten Länder Europas gilt.
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