Russland
Unendliche Weiten und zahllose Schätze
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Mit einer besonderen Atmosphäre aus bewegter Geschichte und dem modernen Lebensgefühl einer russischen Großstadt zieht Welikij Nowgorod Reisende und Einheimische gleichermaßen in Ihren Bann. Der ursprüngliche Name Nowgorod wurde im Jahr 1999 offiziell geändert. Welikij bedeutet übersetzt "groß / bedeutend" und Nowgorod "neue Stadt". Letzteres mag in Anbetracht der langen Geschichte etwas paradox erscheinen - gilt die lebendige Metropole doch als eine der ältesten Städte Russlands.
In der heutigen Zeit liegt das moderne Welikij Nowgorod rund 180 km entfernt von Sankt Petersburg am Ufer des Wolchow. Ursprünglich war die Umgebung eine wilde und unwegsame Landschaft, die in erster Linie von dichten Wäldern, Sümpfen und Mooren geprägt war. Archäologische Ausgrabungen wiesen darauf hin, dass es bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. erste Besiedlungen an den Ufern der Flüsse und Seen gab.
Da die Natur mit undurchdringlicher Vegetation Handelsbeziehungen erschwerte, wurden die Flüsse der Region zu wichtigen Handelswegen. Diese befuhren auch die skandinavischen Waräger, die hier im 8. Jahrhundert wichtige Handelsposten errichteten. Einer der wichtigsten Handelsorte der Region war die von dem Warägerfürst Rurik errichtete Siedlung, die rund zwei Kilometer entfernt an der Stelle der heutigen Stadt Rurikowo Gorodischtsche lag und im Jahr 862 erstmals erwähnt wurde.
Als Gründungsjahr von Welikij Nowgorod gilt heute offiziell das Jahr 859, da die Erwähnung einer Siedlung in Chroniken aus dieser Zeit stammt. Im Laufe der Jahrhunderte trug die heutige Metropole eine Vielzahl unterschiedlicher Namen wie Navgard, Neugarten oder Hólmgaror.
Um das Jahr 911 verlor Alt-Nowgorod seinen Status als Zentrum der Rus an die heutige Stadt Kiew. Nicht weit entfernt von Burg Rurikowo Gorodischtsche errichteten findige Händler eine kleine Siedlung, die sich bald zu einem wichtigen Handelsstandort entwickelte. Fürst Jaroslaw der Weise regierte Nowgorod ab 988, unter seiner Herrschaft erreichte die Siedlung ihre Unabhängigkeit von Kiew. Mit der Sophienkirche oder der Joachim und Anna Kirche finden sich in Welikij Nowgorod noch immer steinerne Zeugnisse aus dieser bewegten Zeit.
Das bunte Leben und der Handel erblühten und berühmte Künstler wie die Ikonenmaler Theophanes der Grieche oder Andrei Rubljow trugen maßgeblich zur kulturellen Entwicklung der Handelsstadt bei. Im Hochmittelalter galten Lesen und Schreiben als Fertigkeiten, die in der Regel nur dem Klerus und dem Adel vorbehalten waren. Nur in zwei europäischen Städten herrschte eine nahezu revolutionäre Besonderheit - neben Konstantinopel war es für einfache Bürger auch in Nowgorod möglich, diese wichtige Bildung zu erlangen.
Ein blutiger Aufstand gegen den herrschenden Fürsten führte im Jahr 1136 nach dem Sieg der Bojaren zur Einführung des Fürstenwahlrechts. In der Folge wurde Nowgorod zu einer Stadtrepublik, die von der Wetsche regiert wurde. Der nach dem Umbruch eingesetzte Fürst Swjatoslaw Olegowitsch aus Tschernihiw unterstand in vielen Bereichen dem Oberhaupt des Bojarenrates (Possadnik), so wurden beispielsweise alle richterlichen Entscheidungen des Fürsten erst durch die Bestätigung des Possadnik wirklich rechtskräftig.
Kriegerische Auseinandersetzungen um Ausdehnung und Verteidigung bestehender Machtbereiche waren in vielen Teilen Europas lange Zeit weit verbreitet. Auch Nowgorod stellte hier keine Ausnahme dar. Der Livländische Orden, eine Verbindung aus Schwertbrüderorden und Deutschem Orden, strebte zur damaligen Zeit eine Ausdehnung ihres Machtgebietes an. Im Jahr 1242 kam es zur berühmten Schlacht auf dem Peipussee, bei der die russischen Verteidiger unter Führung von Alexander Newski, dem damaligen Fürsten von Nowgorod, die Invasoren vernichtend schlugen. Weniger glorreich für die Bewohner von Nowgorod war jedoch die Schlacht von Schelon im Jahr 1471. Es kam zu einer verheerenden Niederlage, die das Ende der Stadtrepublik bedeutete und zum Verlust der Unabhängigkeit führte.
Iwan der Schreckliche wurde auch in Nowgorod seinem Ruf gerecht, als er die Stadt im Jahr 1570 durch seine Truppen verwüsten ließ. Im Zuge des Polnisch-Russischen Krieges wurde die Stadt zwischen 1611 und 1617 von den Schweden besetzt, die Nowgorod schließlich zerstörten. In der Folge all dieser Ereignisse sank die Zahl der Einwohner deutlich und die Stadt wurde als Handelsstandort unbedeutender. 1727 wurde Nowgorod Gouvernementshauptstadt und erlangte in der Folgezeit wieder eine steigende wirtschaftliche Bedeutung.
Im 20. Jahrhundert gehörte Nowgorod nach dem Ende des Zarenreichs zum Leningrader Gebiet der Sowjetunion. Auch im 2. Weltkrieg kam es in der Stadt zu schweren Zerstörungen, da Nowgorod von August 1941 bis Januar 1944 unter deutscher Besatzung stand.
Die leidende Bevölkerung war den grausamen Schikanen der Besatzer schutzlos ausgesetzt und musste unfassbare Gräueltaten und Zerstörungen hinnehmen. Zur Unterbringung der deutschen Soldaten waren beispielsweise die Räumlichkeiten von drei psychiatrischen Kliniken vorgesehen, Heinrich Himmler ordnete daher die Ermordung der bisher dort lebenden Patienten an. Während des Russlandfeldzuges wurden das Museum in Staraja Russa sowie die angesehene Bibliothek der Nowgoroder Altertums-Gesellschaft durch Bolko von Richthofen zerstört.
Unmittelbar nach der Befreiung begannen die Einwohner mit dem Wiederaufbau ihrer Stadt. Der erfolgreiche Aufstieg der nachfolgenden Jahrzehnte honorierte der Europarat im Jahr 1997 mit der Verleihung der Ehrenfahne für eine moderne Entwicklung in den sozialen und wirtschaftlichen Bereichen.
Seit 1999 trägt die Stadt den offiziellen Namen Welikij Nowgorod, der etwa mit "großartige" oder "bedeutende" Stadt übersetzt werden kann. Heute ist der ehemalige Handelsstandort eine lebendige und moderne Metropole mit mehr als 218.000 Einwohnern.
Im Laufe der Jahrhunderte brachte Welikij Nowgorod einige bekannte Persönlichkeiten hervor, die weit über die Stadtgrenzen große Berühmtheit erlangten. So erblickte der später in Dresden tätige Architekt Johann Daniel Schade im Jahr 1730 in Nowgorod das Licht der Welt. Schade war beispielsweise am Umbau des Japanischen Palais sowie an der Wiederherstellung des Dresdner Zwingers beteiligt und war Bauleiter bei der Errichtung des Waldschlösschens in Dresden.
1824 wurde der spätere Landschaftsmaler Alexei Bogoljubow als Enkel des berühmten Philosophen Alexander Nikolajewitsch Radischtschew in einem kleinen Dorf vor den Toren von Nowgorod geboren. Nach seinem Kunststudium unternahm er zahlreiche Malreisen durch ganz Europa und später durch die Wolga-Region. Er starb im Jahr 1896 in Paris.
Auch die beiden bekannten Komponisten Anton Arenski und Sergei Rachmaninow stammen aus Nowgorod. Der im Jahr 1861 geborene Arenski wuchs als Kind einer musikalischen Familie heran. Später bildete er in seiner Funktion als leitender Professor am Moskauer Konservatorium eine Reihe namhafter Komponisten aus, zu denen auch Sergej Rachmaninow gehörte. Dieser wurde 1873 auf dem Landgut Semjonowo geboren und erlangte später mit zahlreichen Werken internationale Berühmtheit.
Der bekannte Komparatist und deutsche Slavist Jurij Striedter kam 1926 in Nowgorod zur Welt, zu seinen wichtigsten Werken zählt das Lehrbuch "Russischer Formalismus".
Trotz aller Zerstörungen im Laufe der ereignisreichen Jahrhunderte ist Welikij Nowgorod reich an eindrucksvollen Sehenswürdigkeiten. Wichtigster Anziehungspunkt ist ohne Zweifel die malerische Altstadt, die seit 1992 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Neben mittelalterlichen Bauten, Kirchen und Klöstern befindet sich hier auch der sehenswerte Kreml aus dem elften Jahrhundert. Das historische Monument wurde auf einem Hügel errichtet und besitzt eine Gesamtfläche von etwa zwölf Hektar. Umgeben ist der Komplex von einer Mauer mit einer Länge von mehr als 1.400 m. Von ursprünglich zwölf Wehrtürmen können die Besucher heute noch neun Türme besichtigen.
Bei einem Besuch des Kreml ist insbesondere ein Besuch der Sophienkathedrale zu empfehlen. Die Kathedrale wurde im Jahr 989 aus Holz errichtet und nach einem Brand in der Zeit von 1045 bis 1050 als steinernes Gebäude neu errichtet. Im Westportal befindet sich eine Bronzetür, die ursprünglich für die Kathedrale zu Plock bestimmt war. Vor der Kathedrale befindet sich seit 1862 das Nationaldenkmal Tausend Jahre Russland, welches die stolze Geschichte seit der Herrschaft Ruriks symbolisiert.
Im Kreml befinden sich zahlreiche Kultureinrichtungen wie das Nowgoroder Museum, eine Kunstfachschule, die Philharmonie und eine Bibliothek. Der eindrucksvolle Gebäudekomplex des Kreml bietet den Besuchern eine Vielzahl an Besichtigungsmöglichkeiten an und lädt zudem auch zu romantischen Spaziergänge ein. In der Altstadt von Welikij Nowgorod befinden sich mehr als fünfzig Kirchen aus verschiedenen Jahrhunderten. Die meisten Kirchengebäude sind gut erhalten und können besichtigt werden, dazu zählen beispielsweise die St. Demetrius Kirche, die St. Peter und Paul Kirche und die St. Nikolai Kirche. Die St. Georgs Kirche gehört zum Jurjewkloster aus dem elften Jahrhundert, welches zu den ältesten Klöstern Russlands gezählt wird.
Für Museumsfreunde hält Welikij Nowgorod mit dem Museumsreservat ein besonderes Highlight bereit. Im gesamten Stadtgebiet sowie im Umland locken unzählige Ausstellungsräume, Denkmäler und Museen mit faszinierenden Ausstellungen zu unterschiedlichen Themen wie Historie, Ikonenmalerei oder Architektur. Eines der beliebtesten Ausflugsziele ist ohne Zweifel das Freilichtmuseum für Holzarchitektur in der Nähe des Klosters Jurijew.
Neben der Besichtigung der Altstadt als Fußgänger bietet sich bei einer Reise nach Welikij Nowgorod für ein wenig mehr Komfort alternativ auch die Anmietung von Fährrädern oder Segways an. Für ambitionierte Schlittschuhläufer und neugierige Anfänger befindet sich im Park des Kreml während des ganzen Jahres eine Kunsteisbahn. Besonders mutige Besucher können sich die Stadt bei einem unvergesslichen Rundflug aus der faszinierenden Vogelpersektive ansehen.
Wer diese Art der Besichtigung eher mit Skepsis betrachtet, kann die Schönheit der Region bei einer Flussschifffahrt auf dem Wolchow genießen. Ebenfalls empfehlenswert ist die Anmietung von Motorbooten oder Jachten, mit denen Fluss und Ilmensee auf eigene Faust erkundet werden können.
Bei einer Reise nach Welikij Nowgorod empfehlen sich auch Ausflüge in die Umgebung der Stadt. Ländliche Idylle und eine malerische Landschaft aus sanften Hügeln und Wäldern finden die Besucher bei einem Besuch des kleinen Städtchens Waldai am Waldai-See vor. Der Ort Borowitschi liegt am Fluss Msta an die Ausläufern der Waldaihöhen. Hier entspringen die Flüsse Wolga, Düna und Dnepr und es gibt zahlreiche Seen, zu denen auch der Seligersee gehört.
Neben den Metropolen Sankt Petersburg und Moskau gehört Welikij Nowgorod sicher zu den interessantesten Reisezielen im Nordosten Russlands.
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